
1 Jahr nach der ersten Veranstaltung kann die Kulturinitiative “Hotel Wien” auf eine erfolgreiche Bilanz zurückblicken.
Den jungen Organisatoren gelang es, Bernburgs kulturellen Horizont im Bereich der Musik um Dimensionen zu erweitern, die jahrzehntelang in der Saalestadt keinen Raum fanden.
Damit gestalten Sie ein interessantes Angebot für genau jene Zielgruppe, die die Stadt am nötigsten umwerben muss: Junge Erwachsene, denen der Raum zwischen heimischer Spielkonsole und Diskothek am Stadtrand zu eng wird.
Die Bereitschaft der Stadtverwaltung, einer Jugendinitiative ein leerstehendes Objekt zu überlassen und sie dann durch Zuschüsse zum Unterhalt und baulichen Erhalt zu unterstützen, wuchs sicher auch im Zusammenhang mit der politischen Auseinandersetzung um den Bernburger Saalplatz im Jahr 2011.
Die finanziellen Zuschüsse und damit die Risiken für die Stadt Bernburg halten sich im Vergleich mit anderen Projekten, wie dem Campus Technicus oder dem Engagement der Stadt bei der Sanierung des Bernburger Schlosses beim “Hotel Wien” durchaus im Rahmen.
Dabei machen uns die jungen Initiatoren des Projektes vor, wie Kultur auch in Zeiten knapper werdender Mittel auf Basis von bürgerschaftlichem Engagement effektiv organisiert werden kann.
Bedauerlich ist, dass die städtischen Planer für das Projekt gerade eine Immobilie heraussuchten, die über eine ausgesprochene Insellage in direkter Nachbarschaft zu bestehenden gastronomischen Einrichtungen verfügt. Viel Platz für “Freiräume” bleibt zwischen Krumbholzstraße und Breiter Straße leider nicht, der Hof des Gebäudes ist aus Lärmschutzgründen nicht nutzbar. Überhaupt führt derzeit jedes Konzert zu vorprogrammierten Konflikten mit einem benachbarten Hotel.
Als Lösung des Problems sollen nun Schallschutzfenster installiert werden, die das junge Kulturleben möglichst hermetisch von der Umgebung abschotten. Es ist bedauerlich, dass die mögliche Ausstrahlungskraft des Projektes in die Stadt so stark reduziert wird. Besonders schmerzt dabei das von den städtischen Planern einkalkulierte Fehlen von Freiflächen, welche Open Air-Aktivitäten ermöglichen würden, eine Anbindung an den öffentlichen Straßenraum böten oder einen notwendigen Kommunikationsort in Form eines Innenhofes bereitstellten. An diese nichtvorhandenen Freiflächen könnten auch andere alternative Projekte, Initiativen oder Künstler “andocken” oder mit Straßenfesten und ähnlichen Projekten Verbindungen zum umgebenen Wohnviertel geknüpft werden.
Somit böte die Kulturinitiative die Chance, zu einem Kristallisationspunkt für ein für junge Menschen attraktives Quartier zu werden, wie es im Vorschlag “Junges Herz” für die Freiheit am Saalplatz angedacht war.
Die derzeitige Lokalisierung verschenkt leider dieses wichtige zukunftsweisende stadtplanerische Entwicklungspotenzial für die Bernburger Altstadt.
Dennoch stellt das Hotel Wien schon jetzt das vielleicht innovativste Projekt in der kulturellen Szene der Stadt Bernburg seit der politischen Wende dar, denn es zeigt Hinweise auf, wie sich der Kulturbetrieb schrittweise von der staatlichen Subvention lösen lässt.