Trommeln auf dem Karlsplatz am 14.06.2011

Initiative Junges Herz – Etappen-Resümee eines Selbstversuches

Etappen-Resümee eines Selbstversuches

Trommeln auf dem Karlsplatz am 14.06.2011
Trommeln auf dem Karlsplatz am 14.06.2011 MZ-Foto: E. Pülicher

Mit einigen Tagen Abstand kann nun ein Zwischenfazit meiner Initiative „Bernburg braucht ein junges Herz“ gezogen werden.

Zum Ergebnis und Verlauf der Stadtratssitzung habe ich mich ja bereits geäußert.

Nun kommt es darauf an, wie es weitergeht. Zu einer allgemeinen Belebung der Diskussionsbereitschaft der Lokalpolitik um das Thema Hochschule, Städtebau und Zukunft scheint es ja bereits gekommen zu sein (siehe Pressebericht vom Montagsforum am 27.06.2011).

Was wird aus der Idee „Ein junges Herz“?

Die Idee ist geboren und viele Menschen finden sie gut. Bisher wurde ja nur über „Fokus Saale“ abgestimmt. Die Stadtverwaltung war immer bemüht, „Fokus Saale“ nur als Rahmen darzustellen. Konkrete Projekte sollen nun erst diskutiert werden. Weder mein Vorschlag „ein Viertel für junge Menschen“ noch andere konkrete Projekte für „Fokus Saale“, wie beispielsweise innovative, generationsübergreifende Wohnkonzepte für Senioren, auch mit kleinem Geldbeutel, oder die Einbeziehung der Hochschule Anhalt in die Konzeption „Fokus Saale“ wurden bisher offiziell im Stadtrat thematisiert.

Ich habe die Gründung einer Bernburger Bürgerstiftung nach dem Vorbild der „Bürgerstiftung für Chemnitz“ angeregt.

Nun ist es an der Zeit, in die konkrete Planung einzutreten. Das schaffe ich natürlich nicht allein. Dafür brauche ich Mitstreiter und ich zähle darauf, dass sich viele Menschen dafür begeistern lassen, konkret die Zukunft ihrer Stadt zu gestalten.

Demokratische Kultur in Bernburg

Neben dem Kampf für das Ziel, die Reste der Altstadt zu erhalten und mit jungem Leben zu erfüllen, wollte ich mir mit meiner Initiative auch die derzeitige demokratische Kultur in Bernburg vergegenwärtigen.

Vor etwas mehr als zwanzig Jahren habe ich als Mitglied des „Neuen Forums“ dafür demonstriert, meine Meinung offen zu sagen und für diese auch offen und demokratisch bei meinen Mitmenschen um Unterstützung werben zu dürfen.

Nun wollte ich für mich selbst auch einmal herausfinden, was von den Träumen der Wendezeit noch in der heutigen Bernburger politischen Realität übrig geblieben ist.

Ich bin für die zahlreichen Gespräche, die Zustimmung aber auch die Kritik der letzten Wochen dankbar.

Bestürzt war ich über die Angst vieler Menschen vor negativen Folgen einer Meinungsäußerung oder gar einer Unterschrift.

Sehr eng sind offensichtlich die Spielräume von denjenigen geworden, die in direkter Abhängigkeit von den derzeit vorherrschenden Machtstrukturen stehen. Mitarbeiter der Verwaltung oder von deren Tochterunternehmen drückten mir ihre Sympathie aus, erbaten sich aber Anonymität. Viele Gewerbetreibende teilten mein Anliegen, trauten sich aber nicht, sich offen dazu zu bekennen und es zu unterstützen.

Wie kann es sein, dass 20 Jahre nach der politischen Wende Menschen wieder befürchten, wegen einer Meinungsäußerung Repressalien erleiden zu müssen?

Dieses Klima kann in unserer Stadt nicht weiter erduldet werden, denn das Resultat dieser Situation ist der Verlust von Leistung für Bernburg: Jeder Mensch, der sich zurückzieht, der aus Angst vor Folgen schweigt, der resigniert und nur noch im Stillen meckert, jede Idee, die zurückgewiesen wird oder nicht einmal den Kopf ihres Schöpfers verlässt, geht unserer Stadt verloren!

Realpolitik in Bernburg: Kungelei statt Demokratie?

Sitzverteilung im Bernburger Stadtrat nach der Kommunalwahl 2009
Sitzverteilung im Bernburger Stadtrat nach der Kommunalwahl 2009

Oberflächlich betrachtet braucht man sich um Bernburg scheinbar keine Sorgen zu machen: Zahlreiche sanierte Gebäude und ratternde Baufahrzeuge an vielen Stellen des Ortes suggerieren das Bild einer vor Wohlstand sprudelnden und lebendigen Kleinstadt. Die öffentlichen Freizeiteinrichtungen versorgen – quersubventioniert von den Bernburger Stadtwerken – die Bevölkerung mit Möglichkeiten, sich außerhalb der Arbeitszeit zu entspannen, öffentliche Kultureinrichtungen – ebenfalls subventioniert – bieten eine für kleinstädtische Verhältnisse solide Grundversorgung. Zahlreiche Sportvereine, unterschiedlich stark von der öffentlichen Hand unterstützt, tragen zur Freizeitkultur nicht unerheblich bei.

Aktuelle Sitzverteilung im Bernburger Stadtrat nach den Eingemeindungen 2010
Aktuelle Sitzverteilung im Bernburger Stadtrat nach den Eingemeindungen 2010 (Quelle)

Dieser Bernburger Wohlstand erscheint gegenüber vielen Nachbarstädten üppig. Das Argument, dass es in Bernburg besser aussieht, als in vielen mitteldeutschen Orten ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Warum also Kritik äußern?

Dem sauberen und intakten Bild unserer Stadt stehen auch Probleme gegenüber. Die Politiker klagen über mangelndes Engagement der Bernburger Bürger. Wenn man nach zukünftigen Bewerbern für Stadtratsmandate sucht, erntet man oft Desinteresse. Vielen Bernburgern erscheint es sinnlos, sich politisch zu engagieren.

Icon Adressliste der Bernburger Stadtratsmitglieder
Adressliste der Bernburger Stadtratsmitglieder (Quelle Stadt Bernburg)

Nach zwanzig Jahren Daueropposition und ebenso langer Regierung immer der gleichen Menschen und Strukturen (nach den Eingemeindungen im Jahr 2010 verschärfte sich die Situation weiter, siehe MZ-Artikel vom 30.04.2010 und vom 09.11.2010) erscheint die politische Kultur in Ritualen erstarrt. Wenn Mitglieder einer Oppositionsfraktion im Stadtrat etwas umsetzen wollen, versuchen sie sich in inoffiziellen Gesprächen mit dem politischen Gegner zu einigen oder mit diesem zu handeln. Wer etwas erreichen möchte, muss mit den richtigen Personen ins Gespräch kommen und diese irgendwie überzeugen. Damit schrumpft die Gruppe derjenigen, die überhaupt etwas entscheiden können auf wenige Menschen in der Stadt zusammen. Der gesamte Prozess ist für die Bürger völlig undurchsichtig. Der Stadtrat spielt als Ort der Entscheidungsfindung bei der haushohen Mehrheit einer immer gleichen politischen Gruppierung faktisch keine Rolle mehr, den Rest erledigt die Fraktionsdisziplin.

Demokratie sieht anders aus!

Wer sich fragt, warum Bürger an der politischen Arbeit keinen Gefallen mehr finden, muss hier ansetzen. Es macht einfach keinen Spaß, keine Chance zu haben und nur aufgrund der Gnade weniger Personen Demokratie spielen zu dürfen.

Wenn Bernburgs Entwicklung, wie bisher, weiterhin davon abhängen würde, möglichst viel Geld, das in Baden-Württemberg oder Bayern erwirtschaftet wird, in unsere Stadt zu lenken, bräuchten wir vermutlich keine demokratischen Strukturen sondern nur eine fähige Verwaltung, die virtuos auf der Klaviatur der Fördermittelanträge spielen kann. Dieser Teil scheint ja im Moment recht gut zu funktionieren.

Leider wird sich dieser Zustand aber bald verändern, denn die Fördertöpfe werden kleiner! Irgendwann kommt die Zeit, in der wir nur noch das ausgeben können, was wir auch selbst in unserer Stadt erwirtschaften.

Fördermittel haben, wie medizinische Medikamente leider auch Nebenwirklungen. Wer seinen Körper ständig mit Pillen füttert, lähmt das eigene Immunsystem.

Dieses Immunsystem bilden Menschen, die Freude an der Entwicklung ihrer Stadt haben und die sich zusammenschließen, um ihre Träume zu verwirklichen.

Wir waren vor kurzem zu Besuch in der Dresdener Frauenkirche. Ich bin fest der Meinung, dass jeder Fördermittelantrag zum Wiederaufbau dieses Bauwerks gescheitert wäre. Aber Menschen, die eine Vision hatten, haben in Dresden das Wunder Frauenkirche Wirklichkeit werden lassen. Diese Kraft ist es, die auch eine Stadt wie Bernburg in Zukunft benötigen wird, damit unser Ort eine lebendige Zukunft hat.

Wir brauchen die Köpfe und die Herzen der Bürger für unsere Stadt!

Leider haben diejenigen, die derzeit über die Macht in unserer Stadt verfügen scheinbar noch nicht verstanden, dass die wichtigsten Ressourcen der Zukunft nicht Salz oder Kalk sind, sondern jene Menschen, die sich kreativ und konstruktiv in die Stadtkultur einbringen und der Entwicklung damit neue Impulse geben können.

Während die Wirtschaft sich engagierte Fachkräfte viel kosten lässt, verzichten wir in unserer Stadt noch zu häufig darauf, alle Akteure oder Gruppen einzubinden, zu motivieren und zum Mitdenken zu animieren.

Hier helfen leider keine noch so gut gemeinte „Meckerecken“ oder andere „Ventile“, um den Dampf aus dem Kessel abzulassen. Auch in der DDR wurden die Menschen beständig aufgefordert, ihren Betrieb, ihren Ort oder das Land durch „Neuerervorschläge“ zu verbessern. Das Ergebnis ist bekannt!

Dem gegenüber schafft freie Demokratie, bei richtiger Anwendung, erheblich mehr Leistung. Sie funktioniert aber nur, wenn nicht die Entscheidungen schon von vornherein fest stehen. Der freie Markt von Ideen und Vorschlägen muss gewährleistet werden, damit ein demokratisches Klima entsteht. Ähnlich wie eine Planwirtschaft der Marktwirtschaft unterlegen war, so ist auch eine geplante Demokratie gegenüber der wirklichen Meinungsvielfalt und dem freien Spiel der politischen Kräfte leistungsärmer. Ein Klammern an die Macht um jeden Preis zeugt nicht von demokratischer Kultur!

Werben um Bürger, nicht nur im Wahlkampf

Bis zur nächsten Stadtratswahl im Jahr 2014 sollten die Bernburger Oppositionsparteien daran arbeiten, ihre Kommunikation mit den Bürgern zu verbessern. Wichtig ist, dass sich die Parteien stärker auf die zukünftige Entwicklung unserer Stadt konzentrieren. Ideen zur zukünftigen Stadtentwicklung, der Integration aller sozialen Gruppen, der Förderung junger Familien und dem Schutz des sozialen Miteinanders im Alter und der Stärkung der Bürgerbeteiligung werden in der nächsten Stadtratswahl entscheidend sein.

Bis dahin sollten alle Bernburger Demokraten daran arbeiten, dass Kommunalpolitik wieder spannend wird. Dabei müssen die Parteien verstärkt darauf achten, dass Ihre parlamentarische Arbeit im Stadtrat auch dem Bürger der Stadt bewusst wird. Diese Informationen kann nicht allein die Verwaltung oder die Presse unter die Einwohnerschaft bringen, hier ist jede Partei oder Wählervereinigung selbst verantwortlich.

Wir brauchen in der Stadt Persönlichkeiten oder Gruppen, die für bestimmte Themen stehen. Das Hauptproblem „Demographischer Wandel“ darf nicht mehr verdrängt werden, sondern muss in das Zentrum der Aufmerksamkeit rücken!

Der Wahlkampf für 2014 beginnt nicht erst ein halbes Jahr vor dem Wahltermin, sondern jetzt!

Zwei Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz

Bürgerpavillon

Ich würde gern vorschlagen, einen Bürgerpavillon einzurichten. Dabei sollte es sich nicht um ein festes Gebäude, sondern um einen beweglichen Pavillon handeln, der vorzugsweise seinen Aufstellungsort auf dem Karlsplatz aber auch, je nach Problematik, auf dem Altstadtmarkt finden kann. Dieser Bürgerpavillon könnte zur behindertengerechten Ausstellung aller Vorlagen und Projekte des Stadtrates, bei denen die Bürgerschaft informiert werden muss, dienen. Weiterhin wäre es schön, wenn Bürgerinitiativen am Bürgerpavillon eine kostenlose Sondernutzung für Informationsveranstaltungen und Unterschriftensammlungen eingeräumt wird. Mich hat die Unterschriftensammlung am 14.06.2011 die Sondernutzungsgebühr von 20,50 € gekostet. Es kann aber nicht sein, dass sich Demokratie am Geldbeutel entscheidet.

Mindestens einmal im Monat könnte im Pavillon dann auch eine öffentliche Bürgersprechstunde zu aktuellen Themen unter Mitwirkung der Stadtverwaltung organisiert werden.

Diese Bürgersprechstunde sollte am Samstagvormittag stattfinden, um eine breite Teilnahme abzusichern. Die Konzeption eines Bürgerpavillons wäre sicher auch ein interessantes Projekt für die Hochschule Anhalt!

Verlegung der Sitzungstermine des Stadtrates auf den Freitag-Abend

Die letzte Sitzung des Stadtrates fand am 23.06.2011, einem Donnerstag, um 16:00 Uhr statt. Zahlreiche Bürger können zu diesem Zeitpunkt nicht an Sitzungen teilnehmen. Wer kann schon sein Geschäft um diese Zeit schließen, seine Baustelle liegen lassen oder einen Kunden wegschicken, um an einem Wochentag um 16:00 Uhr an einer Ratssitzung teilzunehmen? Ich denke es würde einen Schub an Öffentlichkeit geben, wenn die Ratssitzungen zu bürgerfreundlicheren Zeiten stattfinden würden. Ein Vorschlag wäre es, die Sitzungen zukünftig am Freitag- oder Samstagabend, ab 18:00 Uhr stattfinden zu lassen!