Als am 10.06.2014 um 19:39 Uhr eine rote Meldung am Bildschirmrand meines Rechners auftauchte, musste ich zwei Mal lesen: “Bürgerinitiative erfolgreich – doch kein Schlachthof in Bernburg” hieß es da.
Was für eine überraschende Nachricht: Nach zwei Monaten täglicher Beschäftigung mit dem Kampf gegen das neue Schlachthof-Mega-Projekt soll es nun also vorbei sein? Piero Pini, der unzähligen Bernburger in den letzten Wochen Albträume bescherte, löst sich einfach in Luft auf? Genau wie die Horrorvision von einer gigantischen Tötungsmaschine vor den Toren unserer Stadt?
Doch zu viel “Magie” macht misstrauisch und der spontane Freudenausbruch wird etwas gedämpft: Offensichtlich sieht das Rechtsamt der Stadtverwaltung Bernburg im Rücktritt des Schlachthof-Investors keinen Hinderungsgrund, für die Durchführung des am 06.07.2014 geplanten Bürgerentscheids!
Neue Transparenz im Bernburger Rathaus?
Diesmal schien es Oberbürgermeister Henry Schütze mit der Information der Presse sehr eilig zu haben. Schon am Abend nach dem Eintreffen der Absage-Mail von Pini gingen die Meldungen von der Schlachthof-Absage durch Medien, nachdem die MZ ihren Text im Internet veröffentlicht hatte. Leider erlahmt aber die neue Transparenz im Bernburger Rathaus auch schon wieder, denn die geplante Info-Veranstaltung von Investor und Stadtverwaltung am 12.06.2014 wird einfach abgeblasen. Statt sie zu nutzen, um den Einwohnern aus erster Hand zu erklären, was nun eigentlich los ist, lässt die Stadtverwaltung alle Bürger, die nicht die MZ lesen, informationstechnisch im Regen stehen.
Dabei war die Info-Veranstaltung am 12.06.2014 im Kurhaussaal von Oberbürgermeister Schütze in der Stadtratssitzung am 08.05.2014 kurz vor dem Beschluss der Rechtmäßigkeit des Bürgerentscheides am 06.07.2014 angekündigt worden, um alle fachlichen Missverständnisse auszuräumen und Klarheit über die Faktenlage zu schaffen. Nicht nur die Vertreter der CDU setzten voll auf diese Ankündigung. Auch die Mitglieder der Bernburger Bürgerinitiative und zahlreiche Fachleute aus unterschiedlichen Organisationen bereiteten sich intensiv auf den Info-Abend vor.
Nun sollen die Bürger entscheiden, ohne dass es offizielle Informationen aus dem Rathaus gibt. Genau diese Verunsicherung wird aber viele Menschen nun vom Gang in das Wahllokal abhalten. Kann man nach dieser grundlegenden Veränderung der Entscheidungsgrundlagen noch von einer fairen demokratischen Chancengleichheit am 06.07.2014 sprechen?
Welche Entscheidung sollen die Bürger nun treffen?
Denn es bleibt die Frage offen, über was die Bernburger nun überhaupt noch beim Bürgerentscheid entscheiden sollen. Gleicht damit die Abstimmung am 06.07. nicht einer Bürgermeisterwahl ohne Kandidaten?
Wie heißt es doch so schön in der Beschlussvorlage vom 08.05.2014: “Mit einem Bürgerbegehren dürfen dem Gemeinderat nicht lediglich Vorgaben für eine von ihm noch zu treffende Entscheidung gemacht werden, vielmehr müssen die Bürger die eigentlich vom Gemeinderat zu treffende abschließende Entscheidung an dessen Stelle selbst treffen (Lübking/Beck, § 25 RN 3; Klang/Gundlach, § 25 RN 3 mit weiteren Nachweisen). Die Fragestellung eines Bürgerbegehrens ist unzulässig, wenn diese den an die Gemeinde gerichteten Handlungsauftrag nicht hinreichend bestimmt (VGH München, Urteil vom 23.10.2001 – 4 ZB 01.2177)”
Deshalb lautet es im Beschluss vom 08.05.2014 auch: “Das Bürgerbegehren der Bürgerinitiative „Keine Schweinerei” zum Grundstücksverkauf der Stadt Bernburg (Saale) auf dem Gewerbe- und Industriegebiet Bernburg West an der A 14 mit einer Größe von ca. 100.000 m2 an die Pini Deutschland GmbH, Am Alten Theater 6, 39104 Magdeburg, zur Errichtung eines Zerlegebetriebes ist zulässig.”
Mit dem Rücktritt Piero Pinis ist der Stadtratsbeschluss vom 12.12.2013 zur Makulatur geworden. Die Verhandlungen mit dem Investor sind beendet. Ohnehin war ja dem Oberbürgermeister Henry Schütze vom Bernburger Stadtrat niemals das Mandat erteilt worden, die Errichtung eines “Schlachtbetriebes” zu verhandeln. Stets war in allen Beschlüssen, wie auch in dem vom 08.05.2014, nur von einem “Zerlegebetrieb” die Rede!
Was gibt es bei diesem Verkauf noch zu entscheiden, wenn der Käufer abgesprungen ist? Kann der “an die Gemeinde gerichtete Handlungsauftrag” überhaupt noch genau bestimmt werden? Welche Optionen bleiben – in Anbetracht des Rücktritts Pinis – noch, außer nicht zu verkaufen? Und: Wird das Ergebnis des Bürgerentscheides vom 06.07.2014 vor diesem Hintergrund rechtlich angreifbar?
In der Diskussion der vergangenen Wochen wurde wiederholt vorgebracht, dass Bernburgs Haushaltslage angespannt ist. Sollten wir uns als Stadt nicht vor diesem Hintergrund ein rechtlich äußerst fragwürdiges Verfahren sparen? Nun ist es dringend geboten, dass der neue Bernburger Stadtrat in einer Sondersitzung Klarheit schafft und den Frieden in der Stadt wieder herstellt.