Leserbrief zum MZ-Artikel “Stadtrat muss sich positionieren” vom 28.06.2014

Warum ist eigentlich im Beschlusstext des Bernburger Stadtrates, der den Verkauf eines Grundstücks an die Firma Pini Deutschland GmbH betrifft, nur von der Errichtung eines “Zerlegebetriebes” die Rede? Vielleicht um nun behaupten zu können, dass ein Bürgerbegehren gegen einen Schlachtbetrieb sich nicht in seiner Hauptsache auf diesen Beschluss beziehen würde?

In einem Schreiben an die Bürgerinitiative “Keine Schweinere” vom 24.06.2014 vertritt der Oberbürgermeister der Stadt Bernburg, Henry Schütze, die auch in einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung verbreitete Aussage, dass dem Bürgerentscheid gegen den Bernburger Großschlachthof nun eine allgemeine Bedeutung zukommen würde, die über den Grundstücksverkauf an die Pini Deutschland GmbH hinausgeht. Zur Stützung dieser Annahme werden in dem Schreiben des OBs “Indizien” angeführt. Unter anderem wird als Begründung genannt, dass auf der Webseite der Bürgerinitiative “Keine Schweinerei“ auch über Themen „der gesunden Ernährung“ und „über ökologische Fragen im Hinblick auf die Fleischproduktion“ diskutiert werden würde. „Diese Diskussionen bezogen sich nicht lediglich auf die mögliche Ansiedlung von Pini“, führt der OB in seinem Schreiben aus.

Gegen diese Behauptung sprechen die Fakten: Jedes zugelassene Bürgerbegehren in Sachsen-Anhalt muss in seiner Hauptsache eine Fragestellung über eine wichtige Gemeindeangelegenheit zum Inhalt haben.

Deshalb möchte ich Herrn OB Schütze einmal bitten, sich jene von seiner Verwaltung erstellte Beschlussvorlage Nummer 1026/2014 vom 02.05.2014 genau durchzulesen, auf deren Grundlage der Bernburger Stadtrat am 08.05.2014 die Zulässigkeit des Bürgerentscheides gegen eine Großschlachtanlage beschlossen hat. Unter dem Punkt 9 “Materielle Voraussetzungen” kann man dort erfahren, was die Bürger laut der Beurteilung des Rechtsamtes, nun eigentlich genau “begehren”, nämlich: “Für den vorliegenden Fall ist anzunehmen, dass begehrt wird, dass der Beschluss des Stadtrates zum Grundstücksverkauf auf dem Gewerbe- und Industriegebiet Bernburg West […] an die Pini Deutschland GmbH […] zur Errichtung eines Zerlegebetriebes aufgehoben wird“. Genau dieser Grundstücksverkauf ist eine wichtige Gemeindeangelegenheit und damit die “Materielle Voraussetzung“ für die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens.

Diese Zielstellung des Bürgerentscheides konnte jeder Unterzeichner in fetter orangefarbener Schrift auf jedem Unterschriftenblatt nachvollziehen. Ohne diese wichtige Grundlage wäre die Fragestellung “Sind Sie gegen eine Großschlachtanlage in Bernburg?” nichts weiter als eine Meinungsumfrage.

Mit Pinis schriftlichem Rücktritt von seinem Bernburger Investitionsvorhaben ist somit die von der Bernburger Stadtverwaltung festgestellte Hauptsache des Bürgerbegehrens bereits faktisch entschieden wurden!

Der Stadtrat müsste am kommenden Dienstag diese Realität einfach nur zur Kenntnis nehmen und logischerweise den nun erledigten Verkaufsbeschluss vom 12.12.2013 an die Pini Deutschland GmbH aufheben. Dann wäre das Bürgerbegehren umgesetzt und die Abstimmung würde entfallen.

Auf diesen rechtlichen Fakt wurde jeder Bernburger Stadtrat in einem Offenen Brief der Bürgerinitiative “Keine Schweinerei” vom 27.06.2014 in Kenntnis gesetzt.

Warum möchte Herr Schütze diesen klaren Sachverhalt nun nicht erkennen?

Aus demselben Grund, weshalb er alle von ihm persönlich angekündigte Infoveranstaltungen der Stadtverwaltung ausfallen ließ, auch wenn doch, seiner Meinung nach, das Thema “Großschlachthof” für unsere Stadt auch nach Pinis Rücktritt noch aktuell sein soll? Wer legitimierte unseren Oberbürgermeister überhaupt dazu, mit Pini über einen Schlachtbetrieb zu verhandeln, wenn doch der Stadtrat nur beschlossen hat, das Grundstück zur Errichtung eines “Zerlegebetriebes” zu verkaufen? Diesen Fragen wird sich Herr Oberbürgermeister Schütze nun stellen müssen!

Olaf Böhlk, Bernburg