Altenburg: Der Kamin im Kirchturm

Das Pfingstgelage auf der Altenburger Bauernwiese

[Aus: Wirth, Alfred (1932): Anhaltische Volkskunde, Seite 240]

Wie es in älterer Zeit zu Pfingsten herging, darüber berichtet Beckmann a. a. O. Jn Nienburg a. d. Saale «ist jährlich in der Pfingstwoche von den jungen Leuten, Jungfern und Junggesellen, auf einer von alten Zeiten her darzu gewidmeten und in des Dorfes Altenburg Grenzen gelegenen Wiese ein Pfingsttanz gehalten worden». Bei der Landesteilung zu Beginn des 17. Jahrhunderts «entstanden wegen der Jurisdiktion und Grenzung» über diese Wiese «Differenzen». «Endlich ist die Sache zwar beibehalten», fährt Beckmann fort, «aber wegen des Orts ist zwischen den Hochfürstlich Bernburgischen und Köthenschen Herrschaften eine Veränderung verabredet worden, daß nämlich besage der Worte des Recessus der bisher auf der Bauerwiese gepflogene Pfingsttanz an einen anderen Ort verlegt werden sollte: Wie dann auch hierauf ein dieser Wiese anhängiger Platz … in einem Grunde angewiesen worden. Nachdem sich aber mehrmals gefuget, daß die Hochfürstliche Herrschaft von Bernburg … diesen berufenen Pfingsttanz anzusehen gnädigst gewürdigt, so haben sie die Tänzer aus sothanem Tanzgrunde hervorkommen und wieder auf der ordentlichen Wiese und um die Karossen tanzen lassen und … auch sich des gewöhnlichen Ortes künftig wieder zu gebrauchen verstattet, dahergegen man den Altenburgern, da sie sonsten das Gras wegen Nienburgischer Seite mit ihnen habenden compascui oder Koppelweide praecis haben abbringen müssen, eine acht oder zehen Tage nachgesehen, und also den Schaden, so doch mehrenteils von den fremden Zuschauern verursacht worden, wieder ersetzet. Absonderlich findet sich auch noch wegen des modi zu tanzen in dem Bernburgischen Salbuche, daß in der Grenzbeziehung des Fürstl. Amts Bernburg den 8. Juni 1639 die Gemeine zu Altenburg sich beschweret, daß die Nienburger in verschiedenen Pfingsten aus ihrer Wiese fünf Tänze gemachet, denn obwohl dieselbe alle Jahre den Pfingstdienstag auf dieser Wiese tanzen müssen und da sie diesen Tag nicht tanzten, durften sie desselben Jahres mit ihrem Vieh nicht herüber über die Weide treiben, so gebührete ihm doch nicht mehr als einen Ring zu

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machen: Bäten also, daß den Nienburgern Amts wegen möchte zugeredet werden, damit sie hinfüro altem Herkommen und Gebrauch nach nur einen Platz betanzen möchten» Das Fest verlief so: «Wie nämlich anfangs von den jungen Mannspersonen und Knechten zween Vorsteher desselben erwählet worden, welche man Constables geheißen, und diese hierauf um Erlaubnis angehalten bei den Gerichten, den Actum zu vollführen, und bei der Fürstlichen Kammer aus dem Busch, die Sprone, genannt, Maien und den Baum, so sie vor dem Gelag aufzurichten gepfleget, zu holen: Wie sie hernach einen Ort zum Gelag ausgesuchet, auch ferner zween Unterläufer bestellet, so sie Jungferknechte geheißen, und die sich darauf mit roten und blauen über die Achsel hängenden Bändern, so sie Feldzeichen genannt, ausgezieret, und die Mädchens aus der Stadt zu dem bevorstehenden Tanz eingeladen, auch jedweder, die sich erkläret zu erscheinen, ein Glas präsentieret, eine auch vorausgesetzet worden, welche den Namen einer Vortänzerin geführet: Wie sich hierauf den anderen Pfingsttag nach vollbrachtem Gottesdienste die sämtlichen Junggesellen in dem Gelaghause versammelt, und daselbst auf ihr ferneres Ansuchen von dem Küster in Gegenwart etlicher Ratsverwandten und der Vortänzerin Eltern die erwählte Constables zu Friederichtern, um alle Unordnung zu verhüten, bestellet worden ; wie sich inzwischen die Tanzjungfern bei der Vortänzerin in ihres Vaters Hause versammelt und von dannen durch die Jungferknechte abgeholet und mit einer Musik ins Gelag gebracht und nach einem Umtanz einem jeglichen Junggesellen eine derselben an die Hand gegeben worden, welche hernach Zeit währenden Wiesentanzes nicht dürfen verwechselt werden, und darauf sich mit einem Tanze und guten Trunke bis 10 Uhr und nicht darüber ergötzet haben. Wie ferner den dritten Pfingsttag nach geendigtem Gottesdienst die jungen Gesellen in dem Gelaghause, und die Mädchens in der Vortänzerin Eltern Hause, diese auch in ihrem besten und mehrenteils schwarzen Habit aufgezogen, und von dar abermals durch die beiden Jungferknechte unter ebenmäßiger Musik zum Gelag abgeholet worden, und jedwedes Mädchen das ihr präsentierte Glas mit Blumen und bunten Bändern ausgezieret, in der rechten Hand getragen, und darauf sich nach dem Gelaghause und jedwede zu ihrem Gesellen nach der Wiese gegangen: Die beiden Constables in schwarzen Mänteln, der erste mit der Vortänzerin, in der rechten Hand einen großen zinnernen und ebenfalls mit buntem Bande ausgeziereten Becher tragend, voran, mit diesem folgender oder Unter-Constabler mit der Nachtänzerin , welcher gemeiniglich in dem folgenden Jahre der Vorrei vorbehalten worden, und demnächst die andern alle in Begleitung ihrer Mädchen, und darauf ihren Tanz auf der Wiese ein paar Stunden gehalten: Wie sie nachmals nach vollendetem

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Wiesentanz in vorig Ordnung zurück nach der Vortänzerin Eltern Hause gegangen und von denselben allda mit einer Mahlzeit bedienet worden, nach vollbrachtet Mahlzeit aber wieder nach dem Gelage gegangen und sich weiter bis 10 Uhr mit Tanzen ergötzet. Wie endlich den folgenden Mittwoch die jungen Gesellen mit einer Maie und Musik in dem Städtlein (Nienburg) von Haus zu Haus herum gegangen und daselbst, was ihnen an allerhand Viktualien gutwillig gesteuert worden, gesammlet; die Maie aber mit zween lebendigen jungen Weihen (Rotmilane) behänget haben und dabei in Kurzweile vorgegeben, daß das Federvieh auf denjenigen Höfen, so ihnen reichlich mitteileten, dasselbe Jahr von den Weihen unbelästigt bliebe, darauf sich und die Mädchens mit den gesammelten Speisen traktieret, hierbeneben eine Schüssel aufgesetzet, worin jede der Mädchen ein Geschenk eingeleget, daraus wieder getanzet, und damit die Lust beschlossen. Es soll auch vor alten Zeiten eine eigene Hufe Landes dazu gehöret haben, so man daher die Knechtehufe geheißen, und die Einkünfte davon zu dieser Lust angewandt sein worden, welche aber nachmals dem Kloster Nienburg zugewandt, den Knechten aber zur Ergötzung gelassen worden, daß der Geistliche in Nienburg ihre Maie geweihet und dadurch zuwege gebracht haben, daß ihnen bei ihrem Umgang mit derselben desto reichlicher gesteuert worden“ — «Sonsten ist auch in Aschersleben vor Alters ein solcher Pfingsttanz unter der Burg üblich gewesen», setzt Beckmann dann weiter hinzu. Diese Beschreibung zeigt, daß schon um 1700 und früher das Pfingstgelage in Formen vor sich gegangen ist, wie wir sie noch um 1900 im Kreis Zerbst vorfinden: das Einholen des Maibaumes, die Wahl der Platzmeister, ihre Auszeichnung durch bunte Bänder, der Umzug durch den Ort, die gemeinsame Mahlzeit, Wahl des Gelaghauses usw.