Die Kapelle der Fürstenwitwe Hedwig in Bernburg als Zeugnis für ein bewegtes Kapitel anhaltischer Geschichte

Inhalt

Das Wolfgangsstift

Am Bergstädter Louis-Braille-Platz befindet sich das städtische Wohnheim „Wolfgangsstift“[1]Dieser Text entstand für unsere Neujahrsgrußkarte 2011 und enthält keine Fußnoten. Als Quellen dienten unter anderem: Suhle, Hermann (1912): Fürstin Hedwig, geb. Herzogin von Sagan, Gemahlin … Continue reading.

Auffällig an dem Haus, dass sich heute als dreiflügelige Anlage zeigt, sind seine dicken Bruchsteinmauern, die es als ältestes Gebäude dieses Platzes kennzeichnen.

Wenn man vom Innenhof aus den Hauptflügel betrachtet, erkennt man in der Fassade vermauerte gotische Tür- und Fensteröffnungen. Eine Inschriftentafel klärt darüber auf, dass hier Fürstin Hedwig von Sagan im Jahr 1480 die St. Wolfgangskapelle errichten ließ.

Besser bekannt war der Louis-Braille-Platz vielen Bernburgern noch vor wenigen Jahrzehnten als „Waisenhausplatz“, denn die ehemalige spätgotische Wallfahrtskapelle der letzten Fürstin der älteren Linie der Bernburger Askanier, wurde 1704 von Fürst Viktor Amadeus zu einem Waisenhaus umgebaut.

Im Jahr 1773 wurde dieses aufgelöst, der Bau um zwei Seitenflügel erweitert und von nun an als Gefängnis und Unterbringungsort für geistig Behinderte genutzt.

Der heutige Name „Wolfgangstift“ geht auf die Nutzung als Altenheim zurück. Diesen Namen, der sich auf den Fürsten Wolfgang von Anhalt-Köthen (1492-1566) bezieht, erhielt das Gebäude, nachdem die geistig behinderten Insassen in die im Jahr 1875 gegründete „Herzogliche Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke zu Bernburg“ verlegt worden sind.

Inschriftentafel über der gotischen Einganspforte der St. Wolfgangskapelle (heute Städtisches Wohnheim „Wolfgangstift“ am Louis-Braille-Platz) mit dem Wortlaut*: „Hedwig, von Gottes Gnaden geborne Herzogin von Sagan, Fürstin zu Anhalt, Frau zu Bernburg, Wittwe. Nach Christi Geburt 1480 Jahre am Sonntag nach Johannes Babt. wurde erst angelegt diese Kapelle S. Wolfganges. (*Hochdeutsche Übertragung nach Suhle 1912, Beiträge zur Geschichte der Bergstadt Bernburg.)

Hedwig von Sagan

Hedwig von Sagan (1410/22-1497) war die Frau des letzten Fürsten der älteren Bernburger Linie der Askanier, Bernhard VI. (um 1385–1468). Mehr als 50 Jahre dauerte ihr Streit mit den anderen Fürstenlinien des Hauses Anhalt um ihre Bernburger Besitztümer. Dabei wurden neben allen umliegenden politischen Gewalten Mitteldeutschlands auch Kaiser und Papst in die Auseinandersetzung einbezogen.

Während sich die verbliebenen Fürstenlinien im 15. Jh. in einer tiefen Krise befanden, zu deren Überwindung nach 1450 sie zu neuen Herrschaftskonzepten gezwungen wurden, kam es zu existenziellen Interessenkonflikten um das Erbe des Bernburger Besitzes.

Ein wichtiger Grund, warum es zu keiner gütlichen Einigung kommen konnte, lag auch darin begründet, dass scheinbar eine weibliche Regentin nicht als gleichwertiger Verhandlungspartner akzeptiert wurde. Doch Hedwig hielt zäh an dem ihr zustehenden Besitz fest und zeigte sich dabei als verantwortungsvolle und fähige Fürstin.

Ausführliche Hintergrundinformationen

Saganisches Wappen an der Inschriftentafel.

Hedwig von Sagan gehört zu den umstrittensten Persönlichkeiten der Anhaltischen Geschichte.

Während sie von dem Chronisten Beckmann in seiner im Jahr 1710 erschienenen „Historie des Fürstenthums Anhalt“ als „eigensinniges Frauenzimmer“ bezeichnet wurde, die sich sogar „wiederwillig“ gegen den Kaiser gezeigt hätte, stellte sie der Autor Gustav Sommer in einer im Jahr 1916 erschienenen und von der adligen Familie Trotha finanzierten Arbeit als Opfer der geldgierigen und ständig finanzschwachen anhaltischen Verwandten dar.

Eine Arbeit des für die Bernburger Stadtgeschichte verdienten Autors Hermann Suhle aus dem Jahr 1912 versuchte sich erstmalig sachlich mit der Person der Fürstin Hedwig auseinanderzusetzen. Die dient auch als Quelle für diesen Text und bietet sich als Ausgangspunkt für zukünftige Forschungen zu diesem hochinteressanten Thema an.

Hedwig als Ehefrau des letzten Bernburger Fürsten der älteren Linie

Nach dem Tod seiner ersten Gemahlin vermählte sich der letzte Vertreter der alten Bernburger Linie, Fürst Bernhard VI. (um 1385–1468) im Jahr 1433 mit der Tochter Hedwig (1410/22-1497) des Herzogs Johann I. von Sagan (1385-1439) aus dem Geschlecht der Schlesischen Piasten.

Anhaltisches Wappen ohne Rautenkranz.

Bernhard stattete seine junge Frau als Leibgedinge mit umfangreichen Gütern und Einnahmen aus. Ein solches Leibgedinge diente der Sicherung des Unterhalts adliger Ehefrauen und als Witwenversorgung beim Tod des Ehemannes und war üblicherweise Bestand des Ehevertrages. Der Umfang der Versorgungsleistungen entsprach laut Suhle durchaus den Gepflogenheiten, wurde aber bereits im Jahr 1439 durch weitere Zuwendungen ihres Ehemannes noch erweitert.

Da Bernhard VI. über keine Nachkommen verfügte, traten schon im Jahr 1444, und damit noch zu seinen Lebzeiten, Streitigkeiten zwischen den Fürsten Adolf I. von Anhalt-Köthen (1423-1473) und dessen Vetter Georg I. von Anhalt-Zerbst (1390-1474) um das zu erwartende Bernburger Erbe ein.

Als Resultat dieser Auseinandersetzung kam es zu gegenseitigen Verträgen und Abkommen der übrigen anhaltischen Linien, die in Folge zunehmend Hedwigs Ansprüche auf die ihr zustehenden Einkünfte und ihr kommendes Erbe bedrohten: Die Brüder Adolf I. und Albrecht (1421-1475) und ihr Vetter Georg I. schlossen im Jahr 1460 mit dem Magdeburger Erzbischof Friedrich von Beichlingen (+1464) einen Vertrag, nachdem sie, falls sie die Herrschaft Bernburg erhalten sollten, diese dem Erzbistum übertragen wollten.

Das Erzbistum sollte ihnen den Bernburger Besitz, sobald sie diesen erlangt haben, sofort als Lehen zur gesamten Hand und die Anwartschaft auf das Bernburger Erbe daraufhin an den Fürsten Georg I. von Anhalt-Zerbst überschreiben und sobald dieser starb, auf die Brüder Adolf I. und Albrecht von Anhalt-Köthen übertragen. Falls auch diese erbenlos sterben würden, sollte die Herrschaft Bernburg an das mächtige Erzbistum fallen. Gleichzeitig teilten die Fürsten ihren Besitz. Die Fürsten Adolf I. und Albrecht sollten Zerbst und alles was jenseits der Elbe liegt erhalten und Fürst Georg I. den Besitz diesseits der Elbe.

Immerhin hatte Fürst Bernhard VI. von Bernburg zu diesem Zeitpunkt noch 8 Lebensjahre vor sich und die Rechte seiner Frau Hedwig auf ihr Leibgedinge spielten bei den Planungen der übrigen anhaltischen Fürsten keine Rolle.

Zwei Tage nach dem Tod des Erzbischofs Friedrich von Beichlingen, am 13. November 1464 übertrug Bernhard seiner Frau Hedwig auch die Burg Bernburg mit beiden Städten (Alt- und Neustadt) und weiteres Zubehör seines Besitzes zu ihrem Leibgedinge.

Als Schutz für den Besitz seiner Frau, auch nach seinem Tod, griff Fürst Bernhard VI. nun ebenfalls auf die Macht des Erzbistums Magdeburg zurück.

Nach dem Tod des Erzbischofs Friedrich von Beichlingen, trat im Jahr 1466 Johann von Pfalz-Simmern (1429-1475) die Nachfolge im Amt des Magdeburger Erzbischofs an.

Fürst Bernhard VI. übertrug im Jahr 1466 den Bernburger Besitz dem Erzbistum und empfing diesen und damit auch Hedwigs Leibgedinge, sofort wieder als erzbischöfliches Lehen an sich und die übrigen anhaltischen Fürsten zur gemeinsamen Hand zurück. Seine Gemahlin Hedwig erlangte damit von Erzbischof Johann die Bestätigung für ihr Leibgedinge, worüber der Erzbischof als Lehnsherr auch nach dem Tode des Fürsten Bernhards wachen müsste.

Fürst Georg I. sah sich durch die Handlungen Bernhards um seine Erbansprüche auf den Bernburger Besitz gebracht. Er berief sich auf einen bereits im Jahr 1444 gegenüber ihm und den übrigen anhaltischen Fürsten erfolgten Huldigungsakt der Bernburger Untertanen, der ihm damals im Gegenzug für Sicherungszusagen bezüglich des Hedwigs Leibgedinges durch Bernhard eingeräumt wurde und zwang den Bernburger Fürsten, der zu dieser Zeit das 80. Lebensjahr überschritten haben mochte, vor das Gericht des Freistuhls zu Bist im heutigen Stadtgebiet von Lemgo in Niedersachsen.

Nur wenig später, am 05. Januar 1468 starb Bernhard VI., der letzte Fürst der alten Anhalt-Bernburger Linie und wurde vermutlich in der Klosterkirche Nienburg bestattet.

Griff zur Gewalt

Reste eines gotischen Fensters der Kapelle.

Sofort nach seinem Tod nahm Fürst Georg I. die beiden Bernburger Städte (Alt- und Neustadt) mit mehreren Hundert Reitern ein und besetzte auch andere ehemalige Besitztümer des verstorbenen Bernburger Fürsten.

Nun begannen, unter Vermittlung des Lehnsherren Erzbischof Johann Verhandlungen, die als Ergebnis Hedwig den Besitz der Burg und Georg I. die Verfügung über die Städte Bernburg, den übrigen Besitz, wie auch die Einnahmen aus den Abgaben der Bernburger Städte aber, wie im Vertrag zwischen dem Bernhard VI. und dem Erzbistum vereinbart, der Fürstenwitwe Hedwig zusicherten. Weitere, teils komplizierte Regelungen, sollten das Zusammenspiel der beiden Kontrahenten bei der Verwaltung des geteilten Bernburger Besitzes ermöglichen.

Dass der Erzbischof nicht schärfer gegen die gewaltsame Einnahme des ihm laut Vertrag gehörenden Besitzes durch Georg I. vorging, führt Suhle auf die entgegenkommende Haltung Hedwigs in den Verhandlungen zurück.

Nun erhoben aber auch die Fürsten von Mansfeld, als Verwandte der anhaltischen Fürsten gegenüber Georg I. Anspruch auf das Bernburger Erbe. Unter Einbeziehung Kaiser Friedrichs III. (1415-1493) kam es zu einem Gerichtsprozess, bei dem es Georg nur dadurch gelang die Ansprüche der Mansfelder abzuwehren, indem er Bernburg als Besitz des Erzbistums anerkannte. Im Jahr 1470 bestätigte der Kaiser die Schenkung des Bernburger Besitzes und damit den Vertrag Bernhards aus dem Jahr 1466. Das Leibgedinge der Fürstin Hedwig trat aber in der Bestätigung des Kaisers nicht auf. Suhle vermutet hinter der für Hedwig ungünstigen Konstellation den Einfluss Georgs I.

Da sich aber die Verhandlungen weiter hinzogen und auch zu Einsprüchen der Partei Georgs I. führten, ist anzunehmen, dass Erzbischof Johann, als im Vertrag bestimmter Vormund Hedwigs, ihre Ansprüche gegenüber den übrigen Linien verteidigte.

Fürst Georg I. übertrug die Herrschaft Bernburg zu gleichen Teilen auf seine Söhne Woldemar VI. von Anhalt-Köthen (1450-1508), den Vater des bedeutenden Fürsten Wolfgang (1492-1566) und seinen jüngeren Bruder Georg II. (1454-1509) sowie auf den Begründer der Ernestinischen Dessauer-Linie Fürst Ernst (1456-1516) und seinen Bruder Sigmund III. (1454-1487).

Da Hedwigs Leibgedinge nun wiederum nicht berücksichtigt wurde, sah sich diese, nach dem Tod Georgs I. mit neuen Schwierigkeiten konfrontiert.

Zusätzlich verstärkten familiäre Spannungen die Zwistigkeiten, denn Hedwig war, nach Suhle eine Cousine der vierten Ehefrau des Fürsten Georg I., Anna von Lindow-Ruppin (1429-1513).

Sein Sohn Woldemar VI., der aus der dritten Ehe Georgs I. mit Sophie von Hohnstein (+1451) hervorging war seiner Stiefmutter und damit umsomehr auch Hedwig feindlich gegenüber eingestellt.

Kampf um das den Besitz Bernburgs

Nachdem Woldemar VI. im Jahr 1474 von den übrigen fürstlichen Brüdern die beiden Bernburger Talstädte unterstellt und ihm auch Einkünfte aus diesen übergeben wurden, geriet er in direkten Konflikt mit den Interessen der Fürstenwitwe Hedwig.

Reste eines gotischen Zugangs an der Nordseite der Kapelle.

Im Jahr 1476 zog Ernst von Sachsen (1464-1513) im Alter von 11 Jahren als Nachfolger von Erzbischof Johann von Pfalz-Simmern in Magdeburg ein. Dieser erneuerte im gleichen Jahr die Belehnung mit dem Bernburger Besitz und gestand den anhaltischen Fürsten die Einflussnahme auf die Wahl von Richtern, Schöppen und Mitgliedern des Rates der Talstädte Bernburg zu.

Im Zuge der nun folgenden Verhandlungen kamen die Konfliktlinien deutlich zum Vorschein. Einerseits scheinen die Fürstenbrüder Güter, die zum Leibgedinge Hedwigs gehörten, ohne deren Zustimmung verliehen zu haben, andererseits nahm Fürst Woldemar VI. Einnahmen aus den Gerichten aus den Bernburger Städten, die der Fürstenwitwe zustehen, selbst ein.

Neben den anhaltischen Fürsten erhielten aber auch die Grafen von Mansfeld ihren Anspruch auf Bernburg aufrecht und reichten beim Kaiser Friedrichs III. eine Klage ein.

Neben den anhaltischen Fürstenbrüdern, die sich selbst in dieser Sache im Jahr 1478 an den Kaiserhof begeben haben, um dort auch mit Geldbestechungen ihre Forderungen durchzusetzen, versuchte auch Erzbischof Ernst das Verfahren an sich zu ziehen.

Im Jahr 1480 stiftete die Fürstin ihre Kapelle St. Wolfgang vor dem Leipziger Tor der Bernburger Bergstadt, dem heutigen Louis-Braille-Platz. Eine sich dort befindliche Heilquelle machte die Kapelle zum Wallfahrtsort.

Im Jahr 1481 protestierte die Fürstin Hedwig gegen Geldforderungen, die Fürst Woldemar VI. gegenüber den Bernburger Talstädten erhoben hatte.

Kaiser Friedrichs III. nahm Hedwig im Jahr 1486 in seinen Schutz, verweist sie aber an Erzbischof Ernst, der, nach Suhle, ihr Neffe war. Wieder wurden Vergleiche vereinbart und wieder gebrochen.

Mehr als 48 Jahre nach dem Beginn er Erbstreitigkeiten unter den anhaltischen Fürstenlinien überfielen die Fürstenbrüder am 23. Juli 1492 mit Waffengewalt das Bernburger Schloss.

Unter dem Vorwand, dass sie Nachricht erhalten hätten, dass die Witwe den Bernburger Besitz „innerhalb weniger Tage“ an das Erzbistum Magdeburg übergeben wolle, setzten sie die betagte Fürstin im Schloss fest. Schon am nächsten Tag begründeten die Fürstenbrüder gegenüber dem Erzbischof ihr Vorgehen unter Anderem damit, dass die Fürstin ihren Schultheiß gefangen gesetzt habe und ihnen die geforderte Huldigung der Untertanen des Bernburger Schlosses verweigert worden wäre. Sie deuteten an, dass Hedwig den Bernburger Besitz entfremden wolle. Auch andere wichtige Fürsten und Vertreter geistlicher und weltlicher Herrschaften im mitteldeutschen Raum wurden in gleicher Weise unterrichtet.

Der Kaiser greift ein

Erzbischof Ernst war gegenüber dem Vorgehen der Fürstenbrüder entrüstet, er forderte unter Androhung von Waffengewalt, die Herausgabe seines Besitzes.

Die Fürsten wandten sich auch sofort an den Kaiser, der sie, wohl aufgrund von Einflüssen ihres Bruders Rudolf IV. (1466-1510) am Kaiserhof gegenüber dem Erzbischof unterstützte und diesen zur Mäßigung aufrief.

Auf den Einfluss Rudolfs gehen wohl auch die aus einem kaiserlichen Schreiben an Erzbischof Ernst hervorgehenden Diffamierungen zurück, welches davon berichtet, dass die Fürstenbrüder klagen, dass Hedwig „etliche der Ihrigen ertränket, erwürget, totgeschleift, geschäzt und auch das Ihrige genommen“ und „ihre Schlösser, Städte, Land und Leute merklich und über Maß sehr verwüstet“ haben soll. Ebenen dieser Bericht wurde auch in Beckmanns „Historie des Fürstenthums Anhalt“ veröffenticht.

Den nun folgenden Verhandlungen, die letztendlich nochmals einen Vergleich und die Bestätigung der alten Rechte der Fürstin erbrachten, hatten zur Folge, dass Hedwig bis zu ihrem Tod am 14. Mai 1497 im Schloss Bernburg residieren konnte.

Zusammenfassung

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass der Fürstin Hedwig nicht der Vorwurf gemacht werden kann, dass sie den Bernburger Besitz, ähnlich dem anhaltischen Trauma des Verlustes von Aschersleben, an das Magdeburger Erzbistum bringen wollte.

Die anhaltischen Linien selbst waren es, die das Erzbistum einschalteten und ohne seine Treuhänderschaft wäre die Verteidigung gegenüber den mansfeldischen Ansprüchen auf den Bernburger Besitz kaum möglich gewesen.

Durch die wiederholten militärischen Aktionen gegenüber den Rechten des Eigentümers des Lehens, dem Erzbistum Magdeburg und der Fürstin Hedwig, riskierten die übrigen anhaltischen Linien schon eher den Verlust Bernburgs. Motiv für diese Handlungen, die ihren Ausgang bereits im Jahr 1444, also 53 Jahre vor dem Tod der Fürstenwitwe Hedwig nahmen, war die krisenhafte Situation, in der sich die Askanier in der zweiten Hälfte des 15. Jh. befanden.

Während die Stadt Bernburg aus der mehr als dreihundertjährigen gemeinsamen Geschichte mit „ihrem“ Bernburger Fürstenhaus durchaus Kapital schlagen konnte, sah sie sich mit der gewaltsamen Besetzung durch Georg I. und spätestens mit der Machtübernahme seines Sohnes Woldemar im Jahr 1474 mit einem „Fürsten neuen Typs“, wie ihn Michael Thomas in seinen Aufsatz nannte, konfrontiert.

Die Nähe zum Kaiserhof, die den Fürsten bei ihrer sonst rechtlich halsbrecherischen Aktion gegenüber dem Magdeburger Erzbischof im Jahr 1492 Rückendeckung gab und die sich in der Person des Fürsten Rudolf IV. von Anhalt, der später „der Tapfere“ genannt werden sollte manifestierte, führte dazu, dass frühneuzeitliche Konzepte zur Herrschaftskonsolidierung und Landesherrschaft bei den anhaltischen Fürsten Einzug hielten, denen die Fürstin Hedwig entgegen stand. Die Frage, ob die Tatsache, dass es sich bei Hedwig um eine Frau handelte, die Macht ausübte, den Weg zu einer sachlichen Einigung mit den Fürstenbrüdern versperrte, muss in der weiteren Forschung zu diesem interessanten Thema geklärt werden.

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Fußnoten

Fußnoten
1 Dieser Text entstand für unsere Neujahrsgrußkarte 2011 und enthält keine Fußnoten. Als Quellen dienten unter anderem: Suhle, Hermann (1912): Fürstin Hedwig, geb. Herzogin von Sagan, Gemahlin Bernhards VI. von Anhalt, des letzten Fürsten der alten Bernburger Linie. In: Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Altertumskunde (11), S. 1–39. ; Suhle, Hermann (1912): Graf Bernhard VI. von Anhalt, der letzte Fuerst der alten Bernburger Linie. In: Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Altertumskunde (11), S. 669-707.