Kritik am ISEK-Entwurf Stand 02.12.2013

Kritikpunkte am ISEK-Entwurf

Hauptkritikpunkt am derzeit vorliegenden ISEK-Entwurf ist die Tatsache, dass dieses Papier nicht gemeinsam mit den Bürgern erarbeitet wurde! Diese Vermeidung von notwendigen Diskussions- und Beteiligungsprozessen verursacht eine eindimensionale Herangehensweise: Probleme und Lösungsansätze werden aus der Sicht eines unbekannten Autors dargestellt.

Etikettenschwindel?

Eine erste Durchsicht des Entwurfs ergab, dass es sich bei dem Text vermutlich in großen Teilen um einen intern von wenigen beteiligten Personen erarbeiteten Beitrag zu einem Wettbewerb handelt. Einen Schwerpunkt des Textes bilden die Rechtfertigung der bisher vollzogenen Fördermittelinvestitionen und der Versuch, einen weiteren Fördermittelbedarf darzustellen. Der Text wird deshalb den komplexen Anforderungen an einen Masterplan für die zukünftige Entwicklung unserer Stadt ebenso wenig gerecht wie der auf Seite 7 des Schreibens formulierten Zielstellung: «Ziel des vorliegenden Konzeptes ist es, die erreichten Ergebnisse der Stadterneuerung für den räumlichen Geltungsbereich der Gesamtmaßnahme des städtebaulichen Denkmalschutzes „Talstadt und Bergstadt mit Schloss“ zu evaluieren.»

Der Mensch gehört in den Mittelpunkt – Soziodemografische Grundlagen

Auch in Bernburg muss der Stadplanungsprozess am Menschen ausgerichtet werden. Dazu ist es dringend notwendig, den Planungen  kleinräumige, soziodemografische Daten zugrunde zu legen, die z.B. folgende Fragestellungen beantworten helfen. In welchen Stadtvierteln:

  • besteht welcher Altersdurchschnitt?
  • besteht welches Geschlechterverhältnis?
  • besteht welche Einkommenssituation?
  • fanden welche Wanderungsbewegungen statt?
  • usw. …

Der vorliegende Entwurf berücksichtigt dagegen lokale soziale Aspekte kaum!

Keine Integration beim ISEK-Entwurf

Von einem integrierten Konzept kann erst gesprochen werden, wenn alle vorhandenen Fachkonzepte im Planungsgebiet integriert werden! Der planerische Ansatz des derzeitigen Entwurfs berücksichtigt beispielsweise die Verkehrsplanung nicht. Er zeigt keinerlei konkrete Strategien auf, wie die Parkplatzprobleme, die verkehrstechnische Integration der neuen Ortsteile und der Innenstadt oder die Auswirkungen der veränderten Erschließung durch den Neubau der Saalequerung (Stichwort B6n) konstruktiv im Planungsprozess Berücksichtigung finden. Dem planerisch bedeutsamen Thema “Hochwasserschutz” wird beispielsweise nur ein Absatz gewidmet.

Handlungsfelder ISEK HalberstadtHandlungsfelder ISEK Entwurf Bernburg
Bau- und RaumstrukturenDenkmalschutz und Baukultur
WohnenKlimaschutz und Energie
Wirtschaft, Beschäftigung und EinzelhandelZentrum und Funktionsvielfalt
Tourismus, Kultur und FreizeitWohnen und Wohnumfeld
Bildung und SozialesAktivierung der Mitwirkungsbereitschaft und Zusammenarbeit
Verkehr und technische Infrastruktur
Gesundheit und Sport
Grünstrukturen und Freiraum
Querschnittsthemen

Geltungsbereich

Der Geltungsbereich des Entwurfs orientiert sich ausschließlich an den fördermitteltechnischen Grenzen der «Gesamtmaßnahme des städtebaulichen Denkmalschutzes zur Sicherung und Erhaltung historischer Stadtkerne „Talstadt und Bergstadt mit Schloss“» und nicht am realen Lebensraum „Bernburger Kernstadt“. Um soziodemografisch sinnvoll Planen zu können, müssen aber alle inner- und randstädtischen Wohnviertel (z.B die Viertel um den bergstädter Wasserturm bis zur Zepziger Straße) in einem integrierten Ansatz berücksichtigt werden.

Der Geltungsbereich des ISEK-Entwurfs richtet sich nicht an Lebensräumen, sondern an dem Gebiet der Gesamtmaßnahme des städtebaulichen Denkmalschutzes aus. (Keine Haftung für die Richtigkeit der Kartendarstellung! Map data © OpenStreetMap contributors.
Der Geltungsbereich des ISEK-Entwurfs richtet sich nicht an Lebensräumen, sondern an dem Gebiet der Gesamtmaßnahme des städtebaulichen Denkmalschutzes aus. (Keine Haftung für die Richtigkeit der Kartendarstellung! Map data © OpenStreetMap contributors.)

Historische Stadträume

Der bisherigen Stadtplanung mangelt es an fachlich fundierten historischen Grundlagen. Fehler, wie die Nennung der Jahreszahl 1205 als Ersterwähnung der «Talstadt» (ISEK Entwurf S. 30), lassen auf veraltetes Quellenmaterial schließen. Das Nichtverständnis der historischen Funktion der verschiedenen Stadträume führt zu falschen Schlüssen, z.B., wenn vom Schlossbezirk behauptet wird, dass dieser Raum «traditionell das geistig-kulturelle Zentrum Bernburgs war» (ISEK Entwurf S. 27).

Im Gegensatz zum ISEK-Entwurf stellt der Schlossbezirk keineswegs DAS EINE “geistig-kulturelle Zentrum Bernburgs” dar!

Wenn es ein “traditionelles geistig-kulturelle Zentrum” der BÜRGERSTADT gibt, dann ist es der Altstädter Markt!

Lesen Sie: Die Wurzeln der Bernburger Bürgerschaft liegen am Altstädter Markt! 

Es gibt mehr als EIN kulturelles Zentrum in Bernburg: Einige Assoziationen zu historischen Bernburger Stadträumen (Map data © OpenStreetMap contributors)
Es gibt mehr als EIN kulturelles Zentrum in Bernburg: Einige Assoziationen zu historischen Bernburger Stadträumen (Map data © OpenStreetMap contributors)

Kultur = Institution, Bildung = Schule, “Entwicklungsachse für Kultur und Bildung” = Schlossbezirk? Wo bleibt die Stadtkultur?

Der ISEK-Entwurf sieht das Lernen «als vorrangige Aufgabe des kommunalen Gemeinwesens» (ISEK Entwurf S.27). Dabei soll das Bildungsprogramm auch die «Lebenskompetenz von Familien» stärken (ISEK Entwurf S.13) und der «Abwanderung und Resignation» entgegen wirken (ISEK Entwurf S.17). Im Mittelpunkt der propagierten Planung steht das Projekt Campus Technicus und die weitere institutionelle Konzentration in der «Entwicklungsachse für Kultur und Bildung» (ISEK Entwurf S. 27) im Schlossbezirk. Der hier vertretene Ansatz eines zentralisierten, institutionalisierten und verschulten Bildungs- und Kulturbegriffes steht der Auffassung einer allgemeinen Bildung im alltäglichen Lebensraum entgegen. Die bürgerschaftliche Lebens- und Alltagskultur soll offensichtlich einem vom Schlossbezirk aus gesteuerten „kommunalen Lern- und Erziehungsprogramm“ untergeordnet werden. Die Utopien sozialistisch geprägter Bildungskonzepte verbinden sich hier mit absolutistisch geprägten Vorstellungen von um das Herrschaftszentrum konzentrierten „Bildungsanstalten“!