Aus dem sich derzeit im Umlauf befindlichen ISEK-Entwurf geht hervor, dass ein Beitrag zur Bernburger Stadtentwicklung in Höhe von 1.000.000,00 € aus den Ausgleichsbeträgen der Bürger aufgebracht werden soll. Was wird aus diesem Geld und wer plant überhaupt, wo und wofür es eingesetzt werden soll? Niemand weiß das derzeit in Bernburg so genau…
Liebe Bernburger,
in Vorbereitung zu einer Diskussionsveranstaltung stieß ich am 08.12.2013 im Internet-Ratsinformationssystem der Stadt Bernburg auf die Information, dass der Bau- und Sanierungsausschuss in einer Sondersitzung (!) am 10.12.2013 und der Stadtrat in einer Sitzung am 12.12.2013 ein „Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept“ (ISEK) für die Stadt Bernburg (Saale) beschließen sollte.

Im Jahr 2013 gilt das für die Programme „Städtebaulicher Denkmalschutz“, „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ und „Soziale Stadt – Investitionen im Quartier“.
Was ist ein ISEK?
Ich erkundigte mich daraufhin im Internet über die Funktion eines solchen Konzeptes und stieß dabei auf den Sachverhalt, dass eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern seit 2012 festlegt, dass jede Stadt, die weiterhin Finanzhilfen des Bundes erhalten möchte, ein solches ISEK vorweisen muss. Die gleiche Vereinbarung schreibt auch vor, dass dieses Konzept “unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger” zu erstellen ist! Bürgerbeteiligung beim ISEK-Prozess heißt, laut der entsprechenden Arbeitshilfe des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, dass die Bürger zu dem Zeitpunkt beteiligt werden sollen, “wenn im Rahmen des wirtschaftlich und rechtlich Realisierbaren noch Entscheidungsspielräume vorhanden sind.”
Bernburg verfügt ja bereits über verschiedene Stadtentwicklungskonzepte. Die Stadtverwaltung beteiligte sich an zahlreichen Förderprogrammen, für deren Beantragung jeweils neue Schriftstücke erstellt wurden, die den Bürgern aber bisher kaum bekannt sind.
Offene Fragen
Wichtige Fragestellungen der Zukunftsplanung betreffen z.B. die Nutzung des Bernburger Schlosses, die zukünftige Rolle der Talstadt, als ein von Naturkatastrophen besonders bedrohter historischer Stadtraum, die zukünftige Wertentwicklung von Immobilien, die Auswirkungen des Rückgangs der Bevölkerung auf die Finanzierbarkeit der vorhandenen Infrastruktur oder die Frage, wie die Innenstadt zu einem Kommunikations-, Identifikations- und Integrationsraum für die sozial immer weiter auseinanderdriftenden Bevölkerungsgruppen in unserer Stadt entwickelt werden kann. In Zusammenhang mit der Planung zum Bau von Parkplätzen auf dem Gelände des historischen Bernburger Lohelandgartens an der Alten Bibel wurde deutlich, dass der Bernburger Verkehrsentwicklungsplan mit dem Arbeitsstand 2002 dringend einer Überarbeitung bedarf.
Die oben genannte Verwaltungsvereinbarung aus dem Jahr 2012 verpflichtet nun die Städte, alle diese Themen zusammenzuführen und in einem Diskussionsprozess mit den Einwohnern eine Art Masterplan für die zukünftige Entwicklung der Stadt – das ISEK – zu erarbeiten. In einem öffentlichen Prozess sollen Planungen und Entwicklungen auf Basis kleinräumiger soziodemografischer Analysen überprüft, Visionen entwickelt und konkrete Handlungsanweisungen erarbeitet werden, die über bauliche Aspekte hinaus gehen. Dieser öffentliche ISEK-Prozess sollte, laut Arbeitshilfe des Bundesministeriums, in der Regel 12 bis 18 Monate dauern!
Bürgerbeteiligung am ISEK?
Weder in den Amtsblättern der Stadtverwaltung noch in der lokalen Presse fand ich Hinweise darüber, dass ein solches Projekt derzeit in Bernburg umgesetzt wird. Ich nahm daraufhin am 09.12.2013 mit dem IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH Berlin Kontakt auf, da dieses Unternehmen ISEK-Prozesse in verschiedenen Sachsen-Anhaltischen Kommunen betreut. In der nun folgenden Kommunikation wurde deutlich, dass bisher in Bernburg keine Bürgerbeteiligung zum ISEK stattgefunden hat. Der zuständige Dezernent Holger Dittrich teilte mir darauf am 09.12.2013 mit, dass der Tagesordnungspunkt auf der Stadtratssitzung am 12.12.2013 gestrichen würde. Man wolle nun die Bürgerbeteiligung ermöglichen, indem der ISEK-Entwurfstext, analog zu einem Bebauungsplan, öffentlich auslegt und auf der Webseite der Stadtverwaltung im Internet veröffentlicht wird.
Eine Nachfrage beim Planungsamt der Stadtverwaltung Bernburg am 16.12.2013 erbrachte die überraschende Erkenntnis, dass man dort den Entwurfstext zum ISEK auch nicht kannte. Es ist deshalb daran zu zweifeln, dass es eine fächerübergreifende Beteiligung der Bernburger Verwaltung an dem Entwurfspapier gab. Dennoch wurde der Text als beschlussfähig eingestuft.
Laut der Pressemeldung “Stadt zieht Konzept zurück” vom 17.12.2013 weigerte sich Oberbürgermeister Henry Schütze, zu dem Thema eine Bürgerversammlung einzuberufen. Es bleibt daher unklar, wie man die Vorschläge aus der Bürgerschaft im Text berücksichtigen will.
Kritik am Entwurf
Inzwischen wurde mir der Entwurfstext zum ISEK zur Verfügung gestellt. Eine erste Durchsicht des 74-seitigen Papiers mit dem Arbeitsstand 02.12.2013 erbrachte auf Seite 20 den Hinweis, dass dieser von der Landesentwicklungsgesellschaft SALEG im Auftrag der Stadtverwaltung erarbeitete Text aus einer “Projektskizze” hervorgegangen ist, die am 02.04.2013 als Bernburger Beitrag zum Bundeswettbewerb “Historische Stadtkerne – integriert denken und handeln” eingereicht wurde.
Während dessen verstrich eine ehemals im Bewilligungsbescheid für die Fördermaßnahme „Städtebaulichen Denkmalschutz“ bis zum 31.01.2013 gesetzte und dann bis zum Jahresende 2013 verlängerte Frist für die Erarbeitung eins Bernburger ISEKs, ohne dass die Verantwortlichen die in der Verwaltungsvereinbarung geforderte Bürgerbeteiligung realisierten. Die gestellte Verlängerungsfrist vom 31.01.2013 – 31.12.2013 hätte für ein transparentes ISEK-Verfahren ausgereicht.
Der Sachverhalt, dass den Stadträten nur ca. eine Woche Zeit gegeben werden sollte, um sich mit dem Papier auseinanderzusetzen, nachdem bereits am 31.01.2013 bekannt war, dass ein ISEK-Prozess bis zum Jahresende durchzuführen ist, lässt erkennen, dass es den Verantwortlichen an grundsätzlichem Verständnis für transparente Abläufe von integrierten und bürgerfreundlichen Planungsprozessen mangelt.
Diese Haltung wird auch durch verschiedene fachliche Mängel, wie die ungenügende soziodemografische Datenbasis oder die Auslassung wichtiger Bereiche, wie das Thema Verkehr oder die zukünftige Nutzung des Schlosses im ISEK-Entwurf deutlich. Ausgehend von einer ungenügenden Kenntnis der Funktion des historischen Stadtgefüges entfaltet der ungenannte Autor fragwürdige ideologische Konstrukte und inhaltsleere Worthülsen. Ein solches „Schmalspurdenken“ hätte sich durch Bürgerbeteiligung vermeiden lassen!
Bernburg braucht einen Zukunftsplan!
Wir brauchen keine intransparente Stadtplanung „zweiter Klasse“ sondern sollten uns beim ISEK-Prozess auch in Bernburg an den Arbeitshilfen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dem darin genannten Vorbild Leipzig orientieren.
Im neuen Jahr 2014 könnte so für unsere Stadt ein zeitgemäßer, transparenter und lösungsorientierter Planungsprozess beginnen, der das Ziel verfolgt, Bernburg zu einer weltoffenen und bürgerfreundlichen Hochschulstadt im Herzen Sachsen-Anhalts zu entwickeln und dabei die Potenziale der Einwohnerschaft aktiv einbindet.
Ich möchte Sie deshalb gern einladen, das Thema aufmerksam zu verfolgen und möglichst auch Mitspracherechte bei Entscheidungsprozessen einzufordern und diese auch wahrzunehmen. Die Kommunalwahl am 25.05.2014 bietet zusätzlich eine wichtige Chance, die dringend notwendige Weichenstellung hin zu einer bürgerfreundlicheren Stadt Bernburg einzuleiten.