Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser – die Saaleflut 2013 – Teil I

Talstadt-lines-T1Das Hochwasserereignis 2013 war weder eine “unvorhersehbare” Katastrophe, noch handelte es sich um ein “Jahrtausendhochwasser”. Mit dem Sommerhochwasser 2013 ging ein relativ hochwasserarmer 65-jähriger Zeitabschnitt an der Saale zu Ende.

Das Hochwasser 2013 kam nicht überraschend. Die eingetretene klimatische und hydrologische Situation war als Auslöser für Katastrophenhochwasser der Saale bekannt und in der einschlägigen Literatur beschrieben. Die Werte zur Bodensättigung und die Verteilung der Niederschlagsmengen standen – dank modernster Messtechnik -“just in time” zur Verfügung. Dass sich viele Verantwortungsträger von den eintretenden Pegeln überrascht zeigten, wirft Fragen über die Effizienz und die fachliche Qualifikation des Hochwasserschutzes in unserem Bundesland auf.

Bereits seit August 2012 stand der Landesverwaltung Sachsen-Anhalt Kartenmaterial zur Verfügung, welches verblüffend exakt die Überflutungsgebiete des Hochwassers 2013 an der Saale – auch für die Talstadt Bernburg – vorhersagte.

Zunächst versagten in der Katastrophe die offiziellen Informationsmedien. Eine Risiko-Lageeinschätzung durch die Bevölkerung auf Basis der bestehenden Informationen war während des Hochwassers nur schwer möglich. Im Verlauf der Katastrophe fielen Pegelanzeigen aus und die entsprechende Webseite der (HVZ) des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft brach zusammen. Belastbare Informationen waren schwer zu bekommen. Offensichtlich verfügten die Krisenstäbe scheinbar weder über eine integrierte Medienstrategie noch über die technischen und personellen Voraussetzungen zur medialen Steuerung einer Großkatastrophe.

Dass es dennoch gelang, die entsprechenden Hilfskräfte in Bernburg zu akquirieren und damit das schlimmste Szenario  zu verhindern, ist letztendlich auch der bürgerschaftlichen Selbstorganisation junger Menschen zu verdanken, die soziale Medien wie Facebook benutzten, um ihre Hilfe zu organisieren.

Teil I – Eine Großkatastrophe in der “Informationsgesellschaft” – Das Hochwasser an der unteren Saale als Herausforderung für ein modernes Krisenmanagement

Eine Katastrophe kündigt sich an

Bei kaum einem Ereignis seit der politischen Wende kam es in der Saale-Region zu einer ähnlich großen Bereitschaft zur Hilfe wie beim vergangenen Hochwasser des Jahres 2013. Professionelle und ehrenamtliche Helfer kämpften – oft bis an den Rand der Erschöpfung – gegen die Fluten und halfen betroffenen Einwohnern selbstlos. Auch in den Verwaltungen gaben zahlreiche Mitarbeiter ihr Bestes.

Es muss aber festgestellt werden, dass gerade bei dieser Großkatastrophe auch Schwächen im öffentlichen Hochwasserschutz-System unseres Bundeslandes aufgezeigt wurden. Der folgende, dreiteilige Text will als subjektive Meinungsäußerung auf einige dieser Schwachpunkte hinweisen und Informationen zum Thema Hochwasserschutz in Bernburg bereitstellen.

Bereits vor dem Bernburger Stadtfest, in der Woche vom 27.05.2013 kam es zu einem Anstieg des Bernburger Unterpegels von 317cm auf 442cm am 30.05.2013 um 2:00 Uhr.

Zu diesem Anstieg des Saalepegels führten Starkniederschläge, vor denen am 25.05.2013 in den Medien gewarnt wurde [1].

Die Regenfälle traten wie angekündigt ein. Folgerichtig wies das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe am 27.05.2013 auf die Hochwassergefahr, unter anderem für die Saale hin[2].

Am 28.05.2013 wird die zuständige Fachbereichsleiterin des Fachbereich III (Gesundheit, Ordnung, Sicherheit) des Salzlandkreises, Frau Reingard Stephan in einem MZ-Artikel zum starken Anstieg des Hochwasserpegels in Bernburg mit folgenden Worten zitiert: Es ist nichts in Sicht, was zur Beunruhigung Anlass gibt. In seinem Artikel führt der MZ-Redakeur Andreas Braun, weiterhin zu Frau Stephan aus: In ihrem Dezernat ist auch der Katastrophenschutz eingegliedert. Der Wetterbericht gehört somit zu ihrer täglichen Lektüre[3].

Ebenfalls am 28.05.2013 erschien auf der Webseite der MZ ein Artikel, welcher neue, ergiebige Regenfälle für die zweite Wochenhälfte ankündigte[4].

Schon zu diesem Zeitpunkt herrschte, laut einer DWD-Pressemitteilung vom 31.05.2013, im Einzugsgebiet der Saale eine so extreme Bodenfeuchte, wie sie seit 50 Jahren nicht mehr beobachtet wurde[5].

Diese Abbildung zeigt die Bodenfeuchte zum Zeitpunkt Ende Mai 2013 als Mittelwert über ganz Deutschland und verdeutlicht den extremen Wert in diesem Jahr. (Quelle: DWD)
Diese Abbildung zeigt die Bodenfeuchte zum Zeitpunkt Ende Mai 2013 als Mittelwert über ganz Deutschland und verdeutlicht den extremen Wert in diesem Jahr. (Quelle: DWD)
Die Abbildung zeigt die Bedingungen am Beispiel von Flächen mit Wintergetreide auf leichten Standorten. Während zu diesem Zeitpunkt in Deutschland im Mittel eine Bodenfeuchte von ca. 60 Prozent nutzbarer Feldkapazität besteht, sind es aktuell 95 Prozent. (Quelle: DWD)
Die Abbildung zeigt die Bedingungen am Beispiel von Flächen mit Wintergetreide
auf leichten Standorten. Während zu diesem Zeitpunkt in Deutschland im Mittel
eine Bodenfeuchte von ca. 60 Prozent nutzbarer Feldkapazität besteht, sind es aktuell 95 Prozent. (Quelle: DWD)

Eine klassische Situation für Hochwasserkatastrophen der Saale

Spätestens am 31.05.2013 stand damit fest, dass eine überdurschnittliche Hochwassergefahr bestand. Die Verbindung von hoher Bodenfeuchte und hohen Niederschlagsmengen gilt als klassische Gefahrensituation für extreme Hochwasser der Saale[6].

Gerade die seltenen, schweren Hochwasser vergangener Jahrhunderte, die durch lang anhaltende und großflächige Niederschläge ausgelöst wurden (wie z. B. im Juni / Juli 1871 und im November 1890), verursachten stets katastrophale Verluste. Sie sollten angesichts aktueller Entwicklungen verstärkt zur Kenntnis genommen werden. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sich die in den Quellen zum Teil ausführlich beschriebenen hydrometeorologischen Ausgangskonstellationen zukünftig nicht mehr wiederholen.[7].

Tabelle: Historische Hochwasserstände umgerechnet auf den Pegel Halle-Trotha nach Aurada u. Rödel (2005), Widerspiegelung von Natur-, Technik- und Kulturgeschichte im Landschaftsbild des mitteldeutschen Raumes, S. 52

Erklärung: Spalte “Art” s-Sommerhochwasser, w-Winterhochwasser, (b)-speicherwirtschaftlich beeinflusst, (x)-von mir ergänzt

Pegel in cmDatumArt
9751585-08-10s
10151595-03-02w
9031601-12-26w
8891622-04-16w
8581655-02-02w
9981658-02-21w
9351661-08-08s
8431682-01-19w
8381709-12-05w
8961752-08-02s
9101757-08-07s
8811784-02-29w
10121799-02-23w
9351803-06-02s
9251830-02-27w
8231831-08-03s
9151845-02-13w
7451854-08-03s
7351865-04-09w
6751881-03-14w
10101890-11-24w
6501909-02-08w
7081947-03-15w (b)
6251948-02-13w (b)
5801954-07-13s (b)
6001961-06-13s (b)
5421970-04-23w (b)
5181979-03-19w (b)
5871980-04-30w (b)
5751981-03-14w (b)
5601987-03-31w (b)
6131988-04-04w (b)
6831994-04-16w (b)
6692003-01-06w (b)(x)
6902011-01-17w (b)(x)
8112013-06-05s (b)(x)

Karte der Niederschlagsmenge in 72 Stunden (Liter pro Quadratmeter) in Zentraleuropa bis 2. Juni 2013, Quelle: Wikipedia, Autor: Alexrk2 (This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.)
Karte der Niederschlagsmenge in 72 Stunden (Liter pro Quadratmeter) in Zentraleuropa bis 2. Juni 2013, Quelle: Wikipedia, Autor: Alexrk2 (This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.)

In den auf den 31.05.2013 folgenden Tagen kam es dann, wie angekündigt, zu weiteren ertragreichen Niederschlägen im Einzugsgebiet der Saale.

Frage: War es keinem Experten möglich, bereits am 02.06.2013 auf der Basis der vorliegenden Daten (Bodensättigung und Niederschlagsmenge) ein außergewöhnlich hohes Hochwasser zu prognostizieren und hätte es damit nicht schon am 02.06.2013 zur Ausrufung des Katastrophenalarmes für den Salzlandkreis kommen müssen?

Talsperren sind keine Garantie

Zur Reduzierung der Hochwasserschäden durch die Saale wurden zwischen 1919 und 1963 sechs Talsperren an der oberen Saale, die sogenannte “Saalekaskade”, errichtet: Bleiloch, Burgkhammer, Wisenta, Walsburg und Hohenwarte mit dem Unterbecken Eichicht[8].

Die Talsperren sind aber keine absoluter Schutz vor Hochwasser-Ereignissen der Saale: “Allerdings treten in 40% der Jahre noch ein im Maximalabfluss reduziertes Winterregen- und ein Schneeschmelzregime auf. In diesen Jahren wurden die Hochwässer aus dem Oberlauf der Saale nicht vollständig in den Talsperren zwischengespeichert oder durch Hochwässer in den unterhalb der Saalekaskade einmündenden Flüssen (Orla) wieder aufgehöht. Im Mittelauf der Saale wechseln damit einander deutlich hochwassergedämpfte Abflussregime mit Abflussregimen ab, welche noch als Berglandregime zu kennzeichnen sind.[9]

Von Alarmstufen und Bezugspegeln

In einem MZ-Presseartikel vom 31.05.2013 heißt es: “Gestern früh ist am Bernburger Saale-Pegel mit 4,42 Meter der vorläufige Höchstwert erreicht worden. Seitdem stagniert hier der Wasserstand. Am Nachmittag lag er drei Zentimeter niedriger. Allerdings kann noch keine Hochwasser-Entwarnung für die Saale, an der Alarmstufe 2 gilt, gegeben werden[10].

Die “Wasserwehrsatzung der Verwaltungsgemeinschaft Bernburg” schreibt ab der Alarmstufe 3 eine Reihe von unterstützenden Aufgaben vor [11].

Wo kann man sich über die erwähnten Alarmstufen informieren und wo findet man heraus, welche Alarmstufe in Bernburg gerade gilt? Die Suche nach dem Begriff “Alarmstufe” auf der Webseite des Salzlandkreises oder der Stadtverwaltung führte diesbezüglich am 20.06.2013 zu keinem Ergebnis. [12]

Weitet man die Suchanfrage auf Google aus, gelangt man schnell auf die Webseite der Hochwasservorhersagezentrale (HVZ) des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft.

Auf der Übersichtsseite der HVZ ist eine Karte des Bundeslandes Sachsen-Anhalt dargestellt, welche das Flussnetz und die Lage wichtiger Pegel abbildet. Diese Pegel werden durch kleine Punkte symbolisiert, die mit ihrer Farbgebung zeigen, ob eine Meldegrenze oder die Hochwasser-Alarmstufen 1-4 überschritten werden.

Auffällig ist, dass der dort zu findende “Pegel: Bernburg UP” bisher immer nur zwei Farben anzeigt: Grün steht für “keine Hochwassersituation” und blau für “Meldegrenze überschritten”.

Zu den gerade geltenden Alarmstufen für die Saale in Bernburg bekommt man dort aber keine Aussage.

Um zu erfahren, worauf sich die Angaben für die Alarmstufen beziehen, erkundigte ich mich bereits am 29.01.2011 schriftlich beim Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt. Am 16.02.2011 wurde dort ein Antwortschreiben aufgesetzt, in dem es zu den Alarmstufen hieß:

Zur rechtzeitigen Information der Behörden, Bürger und Unternehmen über ein sich entwickelndes Hochwasser und sich daraus ergebenen Schutzmaßnahmen wurden pegelbezogen Alarmstufen für bestimmte Flussabschnitte festgelegt. Diese gelten für die betroffenen Landkreise und kreisfreien Städte. Für die Auswahl der Hochwassermeldepegel zur Ausrufung von Alarmstufen im jeweiligen Territorium sind vor allem der zeitliche Vorlauf zur Vorbereitung notwendiger Maßnahmen und die Übersichtlichkeit für schnelles Handeln ein wichtiges Kriterium.

Für den Altkreis Bernburg und damit letztendlich auch für die Stadt Bernburg ist der Bezugspegel der Pegel Halle-Trotha. Für den Altkreis Schönebeck ist es der Pegel Calbe. Heute sind beide Pegel relevant für den neuen Salzlandkreis, wobei der Pegel Halle-Trotha bis zur Bodemündung gilt. Die notwendigen Vorkehrungen und Schutzmaßnahmen sind im Sonderplan (Gefahrenabwehrplan Hochwasser) des Salzlandkreises unter Bezug auf die Alarmstufen verankert. Hier sind auch die entsprechenden Maßnahmen für die Stadt Bernburg, bezogen auf die Alarmstufen am Pegel Halle-Trotha, dokumentiert. Ein Bezug auf den Pegel Bernburg wäre für Maßnahmen in Bernburg viel zu spät.

Zusätzlich zu diesen Alarmstufen wurde in den Fällen, wo bereits historische Meldegrenzen bestanden, diese fortgeführt, um weiterhin rechtzeitig vor Hochwassergefahren zu warnen und ergänzende Informationen, hier konkret aktuelle Wasserstände, anzubieten. Mit dem zwischenzeitlich zur Verfügung stehenden Internetangebot wäre eine Meldegrenze Pegel Bernburg eigentlich nicht mehr erforderlich.[13]

Für das Stadtgebiet Bernburg gelten also die Alarmstufen am Unterpegel Halle-Trotha. Nach etwas Recherche findet man auch die entsprechende behördliche Regelung über den Geltungsbereich der Alarmsufen des Unterpegels Halle Throtha in der Anlage 6 der “Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Hochwassermeldedienstes” [14].

Eine Projektion der Halleschen Alarmstufen auf den Bernburger Unterpegel beim Hochwasser 2013. Am 03.06.2013 erreichte der Unterpegel Halle-Trotha die Alarmstufe 4 (AS4). In Bernburg Stand der Unterpegel zu diesem Zeitpunkt bei 505 cm. Am 10.06.2013 sank der Unterpegel Halle-Trotha wieder unter die AS4. In Bernburg stand der Unterpegel zu diesem Zeitpunkt bei 573 cm und damit 68 cm höher als beim Eintritt am 03.06.2013. Erst mehr als 4 Tage nach Austritt aus der AS4 in Halle hat der Unterpegel Bernburg wieder den Stand beim Eintritt am 03.06.2013 (505 cm) erreicht. Eine realistische Lageeinschätzung in Bernburg anhand der Hallenser Alarmstufen wird durch diese Differenz erschwert. Quelle - Pegeldarstellung und Ganglinie: www.pegelonline.wsv.de, grafische Einzeichnungen und Markierungen: Olaf Böhlk
Eine Projektion der Halleschen Alarmstufen auf den Bernburger Unterpegel beim Hochwasser 2013. Am 03.06.2013 erreichte der Unterpegel Halle-Trotha die Alarmstufe 4 (AS4). In Bernburg Stand der Unterpegel zu diesem Zeitpunkt bei 505 cm. Am 10.06.2013 sank der Unterpegel Halle-Trotha wieder unter die AS4. In Bernburg stand der Unterpegel zu diesem Zeitpunkt bei 573 cm und damit 68 cm höher als beim Eintritt am 03.06.2013. Erst mehr als 4 Tage nach Austritt aus der AS4 in Halle hat der Unterpegel Bernburg wieder den Stand beim Eintritt am 03.06.2013 (505 cm) erreicht. Eine realistische Lageeinschätzung in Bernburg anhand der Hallenser Alarmstufen wird durch diese Differenz erschwert. Quelle – Pegeldarstellung und Ganglinie: www.pegelonline.wsv.de, grafische Einzeichnungen und Markierungen: Olaf Böhlk

Da, laut dem Schreiben des Ministeriums die Alarmstufen ja auch “zur rechtzeitigen Information der […] Bürger” dienen sollen, wäre es sicher günstig, wenn in Bernburg der wichtige Verweis auf den “Bezugspegel” Trotha auch in irgendeiner Form öffentlich bekannt gegeben würde. In diesem Zusammenhang war es für den uneingeweihten Bürger schon verwirrend, dass für den Bernburger Saaleabschnitt bis zur Bode Alarmstufen gelten, ohne dass diese bisher auf der Webseite der HVZ bei dem entsprechenden Pegel für Bernburg angezeigt werden. Ein gründliches Studium der Verwaltungsvorschriften sollte für betroffene Einwohner wohl keine notwendige Voraussetzung für eine Lageburteilung bei Hochwasserkatastrophen sein.

Frage: Wie und wo kann der Bürger sich über die tatsächliche Bedrohungssituation durch die Saale in Bernburg informieren? Wo ist ersichtlich, bei welchem Pegelstand in Bernburg welche Bedrohung besteht?

Frage: Wie wird der Einfluss der Wipper und der Rückstau der Bode berücksichtigt?

Wann gibt es Katastrophenalarm?

In der Pressemeldung des Salzlandkreises vom 04.06.2013, 18:30 Uhr heißt es: “Im Ergebnis einer gemeinsamen Beratung des Salzlandkreises mit dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz hat Landrat Ulrich Gerstner mit Wirkung von 11:00 Uhr den Katastrophenalarm ausgelöst.[15]

In Halle dagegen wurde der Katastrophenfall bereits am 03.06.2013 um 16:00 Uhr festgestellt [16].

Frage: Warum wurde der Katastrophenalarm im Salzlandkreis erst 19 Stunden nach dem Feststellen des Katastrophenfalls in Halle ausgelöst, wenn doch der Pegel Halle-Trotha für einen bedeutenden Teil des Salzlandkreises als “Bezugspegel” gilt? Ging man am 03.06.2013, als der Unterpegel in Halle-Trotha mit einer Steiggeschwindigkeit von ca. 5cm pro Stunde (Tabelle) die Marke des höchsten bisher bekannten Wasserstandes an diesem Pegel von 700 cm (15.03.1947+ Quelle: Pegelonline) überstieg davon aus, dass es flussabwärts in Bernburg nicht ebenfalls zu einem Notstand kommen würde “bei dem Leben, Gesundheit oder die lebenswichtige Versorgung einer Vielzahl von Personen oder erhebliche Sachwerte gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt werden und zu dessen Abwehr oder Eindämmung der koordinierte Einsatz der verfügbaren Kräfte und Mittel unter einer gemeinsamen Gesamtleitung erforderlich ist“?[17]

Tabelle: Entwicklung des Unterpegel Halle Trotha am 03.06.2013 (Daten: Pegel-Online). Um 16:00 Uhr wurde in Halle Katastrophenalarm ausgelöst.

UhrzeitPegelstand in cm
12:00690
12:15692
12:30693
12:45694
13:00695
13:15696
13:30698
13:45699
14:00700
14:15701
14:30702
14:45703
15:00705
15:15706
15:30707
15:45708
16:00709
16:15711
16:30712
16:45713
17:00714
17:15715
17:30716
17:45718
18:00719
18:15720
18:30721
18:45722
19:00723
19:15724
19:30725
19:45726
20:00727

Quelle - Pegeldarstellung und Ganglinie:  www.pegelonline.wsv.de Grafische Einzeichnungen und Markierungen: Olaf Böhlk
Quelle – Pegeldarstellung und Ganglinie: www.pegelonline.wsv.de Grafische Einzeichnungen und Markierungen: Olaf Böhlk

Wir erinnern uns an die eben zitierte Aussage des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt: “Für die Auswahl der Hochwassermeldepegel zur Ausrufung von Alarmstufen im jeweiligen Territorium sind vor allem der zeitliche Vorlauf zur Vorbereitung notwendiger Maßnahmen und die Übersichtlichkeit für schnelles Handeln ein wichtiges Kriterium. […] Ein Bezug auf den Pegel Bernburg wäre für Maßnahmen in Bernburg viel zu spät.

Frage: Wenn diese Aussage für die Alarmstufen gilt, trifft sie dann nicht erst recht für den Zeitpunkt der Ausrufung des Katastrophenfalls zu?

Hier wäre es natürlich sehr interessant, einen Einblick in den laut den Ausführungen des Ministeriums schon im Jahr 2011 vorliegenden ”Sonderplan (Gefahrenabwehrplan Hochwasser) des Salzlandkreises” zu erhalten, da in diesem ja die “notwendigen Vorkehrungen und Schutzmaßnahmen […] unter Bezug auf die Alarmstufen verankert” sind.

Liefert dieser Plan vielleicht auch Rückschlüsse darauf, wann bei Hochwasser der Katastrophenfall für den Salzlandkreis festgestellt werden muss oder bei welchem Pegel welche Evakuierungen vorgenommen werden sollen?

Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, habe ich am 13.06.2013 unter Berufung auf das Informationszugangsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (IZG LSA) einen Antrag auf Aushändigung einer Kopie des “Sonderplanes (Gefahrenabwehrplan Hochwasser) des Salzlandkreises” an den Salzlandkreis gestellt. In einer “Zwischennachricht” vom 20.06.2013 teilte mir die zuständige Leiterin des Fachbereichs III, Frau Reingard Stephan mit: “dass eine endgültige Beantwortung noch etwas Zeit in Anspruch nehmen wird, da wir uns alle im Einsatz (Katastrophenfall Salzlandkreis) befinden”.

Update
Frau R. Stephan teilte mir in einem Schreiben vom 01.10.2013 folgendes mit:
“Der Salzlandkreis agiert bisher nach den drei Gefahrenabwehrplänen für Hochwasser der ehemaligen Landkreise Aschersleben-Staßfurt, Bernburg und Schönebeck. Ein neuer „gemeinsamer” diesbezüglicher Gefahrenabwehrplan für das gesamte Kreisgebiet ist in seiner Erarbeitung für das Jahr 2014 vorgesehen. Unabhängig davon haben sich die Anzahl der Flüsse, die Flussläufe und die Auswirkungen bei Hochwasser allein durch die Kreisgebietsreform nicht verändert, so dass mit den Einzelplänen gearbeitet werden konnte. Ohne Bezug zur Gebietsreform hat sich in den letzten Jahren die Dimension der Hochwasser verändert, so dass diese Realitäten in die neue Planung 2014 einfließen müssen.”

Wer kannte die neuen Überflutungsgebiete?

Im Jahr 2008/2009 wurden ca. 16.954 km² Fläche des Landes Sachsen-Anhalt mittels Airborne-Laserscanning beflogen. Die Maßnahme kostete 1,8 Mio € und wurde im Frühjahr 2010 abgeschlossen[18]. Auf Basis dieses landesweit flächendeckenden digitalen Geländemodells (DGM) wurde es nun möglich, genaue Überschwemmungsgebiete für ein HQ(100)-Hochwasser auszuweisen.

HQ(100)

“Q” steht für den “Volumenstrom” bzw. den “Abfluss”

Der Abfluss Q gibt das Volumen V an, das in einem Fließgewässer in einer bestimmten Zeit t eine vollständige Querschnittsfläche F passiert, den sogenannten Volumenstrom des Wasserkörpers durch F. seine Einheit ist also m³/s.[19]

Hochwasserabfluss mit Jährlichkeit n (HQn)

Gängige Größen sind etwa HQ2, HQ25, HQ100 für statistisch 2-jährliches, 25-jährliches bzw. 100-jährliches Hochwasser. Diese werden in der Regel nicht direkt gemessen, sondern anhand sogenannter Niederschlags-Abfluss-Modellen (NA-Modellen) errechnet aus den Parametern des Einzugsgebiets und dem Gang der Jahresniederschläge, den man an einer günstig gelegenen Messstation erhebt.”[20]

Im Amtsblatt der Stadt Bernburg (Saale) Nr. 191 vom 04.04.2013, S. 3 wurde darauf hingewiesen, dass das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt am 25.01.2013 eine Verordnung über die Festsetzung des Überschwemmungsgebietes Saale von der Mündung in die Elbe (km 0+000) bis zur Rothenburg (km 59+600) erlassen hat und die Verordnung sowie die dazugehörigen Karten bei der Stadtverwaltung einsehbar sind.

Nach einigen Nachfragen und mit der Unterstützung des Planungsamtes der Stadtverwaltung Bernburg ist es inzwischen gelungen, den Prozess der digitalen Veröffentlichung der Karten auf der Webseite des Landesverwaltungsamtes voranzutreiben, sodass nun das äußerst interessante Kartenmaterial für Bernburg unter der Adresse:

http://www.sachsen-anhalt.de/index.php?id=58848

zum Download bereitsteht!

Anhand der neuen Karten kann man die tatsächlichen Überschwemmungsgebiete für das Bernburger Saaletal erkennen. Geradezu verblüffend entsprach der Wasserstand beim Hochwasser 2013 dem Kartenmaterial mit dem Bearbeitungsstand August 2012. Die Pegelstände des Hochwassers 2013 waren aber offensichtlich höher als das für die Karte angenommene HQ(100), so dass real mehr Flächen von Überflutung betroffen waren, als auf der Karte ausgewiesen sind.

Frage: Wäre es in Bernburg nicht möglich gewesen, das neue Material, außer mit dem Hinweis zur Einsichtnahme, auch in einer Vortragsveranstaltung und in den Medien offensiver bekannt zu machen? Hätten sich die Folgen des Hochwassers 2013 mindern lassen, wenn den Betroffenen das Kartenmaterial bekannt gewesen wäre?

Informationsmanagement beim Hochwasser 2013

Ein besonderes Problem für alle Betroffenen stellte die mangelhafte Verfügbarkeit von verlässlichen Informationen dar. Von vielen Menschen gesucht wurde ein allgemein verständlich formuliertes und von amtlicher Seite legitimiertes Lagebild für die Bevölkerung. Der am 03.06.2013 um 10:25 Uhr auf der Webseite der Stadtverwaltung anzutreffende Hinweis “Bitte informieren Sie sich ständig über die Medien” war zwar gut gemeint, löste das Problem aber nicht, da gerade die Medien stark zur allgemeinen Verunsicherung beitrugen. Auf der Webseite des Salzlandkreises waren zu diesem Zeitpunkt noch keine Hinweise zur Hochwassersituation bereitgestellt worden.

Beginnend mit einer Aktualisierung vom 03.06.2013 um 18:00 Uhr wurde auf der Webseite des Salzlandkreises eine Sonderseite “Zur Hochwasser-Situation im Salzlandkreis” veröffentlicht. Dort wurde zu diesem Zeitpunkt unter anderem mitgeteilt, dass die Einrichtung des “…Stabes außergewöhnliche Ereignisse” (SAE) des Salzlandkreises […] wegen der steigenden Pegel von Saale und Elbe am Sonntag, 02.06.2013…” erfolgte und “zurzeit (03.06.) alle erforderlichen Informationen zu den Situationen vor Ort gesammelt” werden. [21]

Pegel offline?

Bezüglich der Pegelstände wurde sowohl auf der Webseite des Salzlandkreises als auch auf der Webseite der Stadtverwaltung auf die oben bereits genannte Internetseite der Hochwasservorhersagezentrale Sachsen-Anhalt (HVZ) verwiesen. Leider brach diese Webseite bald unter der Last der Aufrufe zusammen und war dann nicht mehr zu erreichen.

Für die Beurteilung der Lage entscheidende Saale-Pegel lieferten während der Katastrophe keine Daten mehr. So setzte beispielsweise die Übermittlung von Daten zum wichtigen Bernburger Oberpegel am 04.06.2013 um ca. 9:00 Uhr (Quelle: PegelOnline) völlig aus, genaue Aussagen über die aktuelle Bedrohungssituation für den Bernburger Tierpark und die Talstadt waren damit ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Auch die telefonische Ansage der Pegel versagte wegen Überlastung ihren Dienst[22].

Für die Durchflussmessungen am Unterpegel Bernburg findet man zwischen dem 06.06.2013 und 10.06.2013 keine Angaben [23]

Am 6. Juni 2013 um 17:30h wurde der Oberpegel Bernburg vom Betreiber des Wasserkraftwerks Bernburg, nach eigener Ablesung, mit einem Stand von 700 cm angegeben[24].

Das derart hohe Pegelstände am Bernburger Oberpegel möglich sind, haben bereits Berechnungen ergeben. Dazu mehr in Teil II dieser Ausführungen.

Online-Pegelzusammenstellung für Bernburg fehlt

Bezüglich der Online-Pegel zeigte sich eine gravierende Problematik. Auf verschiedenen Webseiten standen verschiedene Pegel zum Abruf bereit. Während sich auf der Webseite der Hochwasservorhersagezentrale beispielsweise die Pegel der Wipper fanden, fehlten dort offensichtlich die wichtigen Oberpegel der Saale. Diese wiederum ließen sich auf der Webseite “PegelOnline[25]” der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) verfolgen. Eine Webseite auf der alle für Bernburg wichtigen Pegel (Wipper, Bode, Saale-Ober- und Unterpegel Bernburg, Alsleben, Rothenburg, Wettin) gemeinsam einsehbar waren, habe ich nicht finden können.

Die Pegeldarstellung von “PegelOnline” zeigt mit ihrer Zoom-Funktion und der Möglichkeit der Überlagerung mehrerer Pegel gegenüber der Webseite des der (HVZ) mit ihren statischen Pegelbildern eine deutlich zeitgemäßere Benutzeroberfläche.

“PegelOnline” stellt die Pegeldaten auch als Webservices zur Verfügung. Damit wird eine dezentrale Visualisierung der Daten auf anderen Webseiten und Smartphone-Apps ermöglicht.

Smartphones im Katastrophenfall

Besonders das Hochwasser 2013 zeigte, wie wichtig Smartphones bei der Koordination der Helfer und der Information der Bevölkerung sind.

Die Geräte laufen recht lange netzunabhängig, lassen sich über Notstrom-Aggregate aufladen und stellen eine Internet-Verbindung über das Handy-Netz her.

Leider war zum Zeitpunkt des Hochwassers weder die Webseite der Stadtverwaltung Bernburg, noch die Webseite des Salzlandkreises, noch der Internetauftritt der HVZ für die Darstellung auf Smartphones optimiert.[26]

Alle für den schnellen Informations-Abruf per Smartphone überflüssigen graphischen Elemente und Strukturen dieser Webseiten verursachen Wartezeiten und unnötigen Netzwerkverkehr über die Funkverbindung. Keine der Webseiten verfügt über ein Responsive Webdesign, welches die Inhalte für kleinere Displays dynamisch umgruppiert oder über eine optimierte Smartphone-Version.

Als Beispiel für Smartphone-optimierte Webseiten können die Mobilangebote der Mitteldeutschen Zeitung und der Volksstimme herangezogen werden.

Facebook

Als besonders wichtiges Medium bei der Kommunikation im Krisenfall etablierte sich bald das soziale Netzwerk Facebook.

Soziale Netzwerke selbst sind inhaltsneutral, sie stellen lediglich eine Hardwareübergreifende Kommunikationstechnologie bereit und ähneln damit in gewisser Weise dem Telefonnetz. Niemand würde das Telefon als Technologie grundsätzlich infrage stellen, nur weil es auch dazu benutzt werden kann, Falschmeldungen zu kommunizieren.

Besonders die gute Benutzbarkeit auf Smartphones und die weite Verbreitung machte Facebook bald zum dominierenden Kommunikationsmittel für die Bevölkerung im Krisenfall.

Erste, mir bekannte Posts zum Aufruf bei der Hilfe zum Sandsackfüllen an der Marienkirche erschienen in Bernburg am 04.06.2013 um 13:32 Uhr.

Dass es in Facebook zu Falschmeldungen oder z.B. im Fall des Bernburger Tierparks sogar zu hysterischen Überreaktionen in Form von Hetzkampagnen gegen Mitarbeiter und Verantwortlichen kam, ist meiner Meinung nach auch eine Folge des Fehlens einer integrierten Katastrophen-Medienstrategie der Verwaltungen des Salzlandkreises und der Stadt Bernburg. Der Gebrauch moderner Kommunikationsmittel, wie z.B. sozialer Netzwerke, als Informationsmedium im Katastrophenfall, sind scheinbar, nach Aussage von verantwortlichen Mitarbeitern, dort bisher weitestgehend unbekannt.

Aber Katastrophen vollziehen sich im Jahr 2013 eben nicht nur im realen, sondern auch im virtuellen Raum des Internets. Wie es im realen Leben Vandalismus gibt, so gibt es auch Vandalismus in sozialen Netzwerken – in Form der bewussten Verbreitung von Panikmeldungen. Derartiges Verhalten im Internet kann sich schnell auch auf den realen Raum übertragen und dort die Arbeit der Helfer massiv beeinträchtigen.

Deshalb sollte auch ein professionelles Internet-Katastrophenmanagenent unter Einbeziehung von Fachkräften (z.B. Psychologen und Medienwissenschaftler) von zentraler Bedeutung im zukünftigen Krisenfall sein. Hier müssen die entsprechenden regionalen Katastrophenschutzpläne dringend ergänzt werden!

Verantwortungsvolle Facebook-Mitglieder und Gruppen-Administratoren sorgten oft recht schnell für die notwendige Selbstdisziplin und versorgten die Menschen mit seriösen Informationen. Geteilte Fotos vom Hochwassergeschehen dienten zur wichtigen Lageinformation vor Ort. Es war beeindruckend zu sehen, wie sich ganze Heerscharen von Helfern über Facebook organisierten, Informationen z.B. zum Status der Sandsack-Füllstationen ausgetauscht wurden oder ein in der Bernburger Talstadt zugelaufenes Haustier binnen 20 Minuten seinen Besitzer wieder fand.

Die Facebook-Seite “Hochwasser Sachsen-Anhalt” des Leipzigers Patrick Hergert entwickelte sich zu einem der wichtigsten Umschlagplätze für minutenaktuelle Informationen.

Mit der Einrichtung der Facebook-Gemeinschaft “Bürgerbüro Bernburg hilft” wurde ab dem 09.06.2013 auch ein zentraler Anlaufpunkt der Stadtverwaltung zum Thema Hochwasser geschaffen.

Online-Karten zur Katastrophen-Koordination

Neben Facebook leisteten auch andere Web 2.0-Dienste gute Arbeit bei der Koordination von freiwilligen Helfern. In Halle und Magdeburg wurden Google-Maps-Karten genutzt: Die interaktive Karte “Halle Übersicht Hochwasser” stellte unter anderem Sandsack-Befüllplätze, Gefahrenzonen, Versorgungspunkte und aktuellen Bedarf an Verpflegung dar und half so bei der effektiven Verteilung der freiwilligen Hilfskräfte. Mein Vorschlag an die Stadtverwaltung Bernburg, ein ähnliches Projekt auch für die Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser einzurichten, scheiterte leider, da es nicht gelang, die notwendige Anbindung an den Stab herzustellen und die entsprechenden Personalressourcen für eine Kernredaktion bereitzustellen. Der städtische Verwaltungsleiter Herr Hohl teilte mir aber mündlich auf Anfrage am 07.06.2013 mit, dass man sich ein solches Projekt für die nächste Katastrophe vorstellen könnte. Der Standortsprecher für Bernburg, Prof. Einar Kretzler signalierte, dass derartige Anwendungen auf Basis geografischer Informationssysteme auch als studentisches Projekt für die Hochschule Anhalt interessant wären.

Medienmanagement im Katastrophenfall oder amtliche Verwirrung?

Sowohl die Startseite der Webseite des Salzlandkreises als auch die Startseite der Webseite der Stadtverwaltung Bernburg sind als typischer “Blog” organisiert. Neue Meldungen erscheinen an oberster Stelle. Im Normalbetrieb ist das kein Problem, im Katastrophenfall mit zahlreichen Informationen, die in schneller Folge aktualisiert werden müssen, führt dieser Aufbau aber schnell zu unübersichtlichen “Spagetti-Webseiten”, auf denen wichtige Informationen in der Textmasse untergehen. Die statische Struktur beider Webseiten erlaubt nicht die schnelle, thematische Umstrukturierung für den Katastrophenfall. Ein an die Krisensituation angepasstes Design, welches den Besucher visuell unterstützt und ihn gezielt zu den wichtigen Informationen leitet, wurde leider nicht realisiert.

Auch der Einsatz von RSS Feeds oder die Nutzung des Kurznachrichtendienstes Twitter würde im Krisenfall die Versorgung mit amtlichen Meldungen deutlich vereinfachen, da dann eine automatische Verteilung der Informationen erfolgen könnte.

Natürlich verfügt nur ein Teil der Bevölkerung über das Wissen im Umgang mit diesen Technologien. Als Multiplikator kann er aber dafür sorgen, dass die Meldungen schnell auch diejenigen verbreitet werden, die keinen Zugang zum Internet haben.

Manche Informationen wurden zunächst gar nicht berücksichtigt. So wurden für die Gesundheit von Helfern und Betroffenen wichtige Hinweise zur Hygiene bei Hochwasser erst nach Bürgerhinweisen am 07.06.2013 bereitgestellt.

Beim Auspumpen von Kellern im Hochwassergebiet kann es bei Absenkung des Wasserspiegels unter das umgebene Grundwasserniveau zur Gefährdung der Standsicherheit des Gebäudes kommen. Ein ebenfalls am 07.06.2013 an die Stadtverwaltung und den Salzlandkreis eingereichter Hinweis, die Bevölkerung diesbezüglich über die amtlichen Webseiten der Stadtverwaltung und des Salzlandkreises zu informieren, wurde vom Einsatzstab im Gegensatz zur Hygieneinformation nicht veröffentlicht.

Frage: Wie konnte es dazu kommen, dass wichtige Verhaltens- und Sicherheitshinweise erst als Reaktion auf Bürgerhinweise oder im Fall des Kellerauspumpens auch gar nicht auf den offiziellen Webseiten bereitgestellt wurden, auch wenn es explizite Hinweise gab? Wo ist geregelt, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt amtlich im Internet veröffentlicht werden?

Als Beispiel für verwirrung-stifendende amtliche Bekanntmachungen kann die Information zur Situation bei den Schulschließungen in Bernburg durch den Salzlandkreis angeführt werden.

Am 10.06.2013, um 17:15 Uhr wurde folgende Meldung auf der Webseite des Salzlandkreises veröffentlicht: “Der Katastrophenschutzstab teilt mit, dass alle Schulen in Bernburg (Kernstadt), Barby, Calbe, Nienburg und Schönebeck bis einschließlich Mittwoch geschlossen bleiben”.

Unklarheiten brachten die Begriffe “Bernburg (Kernstadt)” und “alle Schulen”. Offensichtlich war nicht allen Eltern klar, dass zur Stadt Bernburg seit dem Jahr 2010 nun auch 13 ländliche Gemeinden gehören und diese vermutlich nicht von der Regelung betroffen waren.

Gravierender wirkte sich die Bezeichnung “alle Schulen” aus, denn sie ließ den Schluss zu, dass auch nicht vom Hochwasser betroffene Grundschulen gemeint waren, die am 10.06.2013 aber planmäßig unterrichteten. Die Meldung zu den Schulschließungen löste umfangreiche Diskussionen aus und stiftete viel Verunsicherung bei Lehrern, Schülern und Eltern.

Frage: Ist es notwendig, im Krisenfall für diesen Zweck geschulte Redaktionsteams in direkter räumlicher Nähe zu den Krisenstäben einzurichten? Müssen spezielle, für den Katastrophenfall optimierte Internetseiten vorbereitet werden, deren Gestaltung nach modernen Kriterien des Mediendesigns erfolgt, um Informationen effektiv verbreiten zu können?

Ich plane noch zwei weitere Teile:

  1. [1] Wetterdienst warnt vor ergiebigem Regen. Online verfügbar unter http://www.mdr.de/nachrichten/unwetterwarnung-mitteldeutschland100.html, zuletzt geprüft am 17.06.2013 (Wetterdienst warnt vor ergiebigem Regen
  2. [2]Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: Nach Dauerregen droht Hochwasser. Online verfügbar unter Nach Dauerregen droht Hochwasser, zuletzt geprüft am 17.06.2013 (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
  3. [3]Braun, Andreas (2013): Viel Wasser, aber keine Gefahr. In: Mitteldeutsche Zeitung, 28.05.2013 (Bernburg), S. 7
  4. [4] Mitteldeutsche Zeitung: Es bleibt regnerisch mit Gewittern. Online verfügbar unter Es bleibt regnerisch mit Gewittern
  5. [5]Deutscher Wetterdienst: Extreme Bodenfeuchte wie seit 50 Jahren nicht mehr. Online verfügbar unter Extreme Bodenfeuchte wie seit 50 Jahren nicht mehr
  6. [6]Deutsch, Mathias (2004): „ … und konnte sich keiner an solche Fluthen erinnern.” – Zur Untersuchung schwerer, historischer Hochwasser der Saale im Zeitraum von 1500 bis 1900, S. 117–141 (Deutsch 2004, S. 119)
  7. [7]Deutsch, Mathias (2004): „ … und konnte sich keiner an solche Fluthen erinnern.” – Zur Untersuchung schwerer, historischer Hochwasser der Saale im Zeitraum von 1500 bis 1900, S. 117–141 (Deutsch 2004, S. 137)
  8. [8]Aurada, Klaus D.; Rödel, Raimund (2005): Widerspiegelung von Natur-, Technik- und Kulturgeschichte im Landschaftsbild des mitteldeutschen Raumes. Wissenschaftliche Grundlagen einer Exkursion. Greifswald: Ernst-Moritz-Arndt-Univ (Greifswalder geographische Arbeiten, 37). S. 54
  9. [9]Aurada, Rödel 2005 – Widerspiegelung von Natur, S. 55
  10. [10]Adam, Torsten (2013): Evakuierung von Tieren vorbereitet – Freizeit GmbH in Alarmbereitschaft., 31.05.2013. Online verfügbar unter http://www.mz-web.de/bernburg/saale-hochwasser-evakuierung-von-tieren-vorbereitet,20640898,23075368.html, zuletzt geprüft am 24.06.2013
  11. [11]Stadt Bernburg (Saale) 07.02.2008
  12. [12]Dokumentierte Suche am 20.06.2013 um 13:50 Uhr
  13. [13]Pieper 2011
  14. [14](2001): Anlage 6 – Richtwasserstände für Alarmstufen (AS) und ihr Geltungsbereich. Online verfügbar unter Anlage 6 (Dokumentenbezeichnung: VVST-753300-MU-19980827-KF-001-A006.pdf) zuletzt geprüft am 26.06.2013
  15. [15](2013): Mitteilung des Katastrophenschutzstabes des Salzlandkreises vom 04.06.2013, 18:30 Uhr. Online verfügbar unter Mitteilung des Katastrophenschutzstabes des Salzlandkreises vom 04.06.2013 , zuletzt geprüft am 26.06.2013
  16. [16]hallespektrum.de: Hochwasser-Katastrophe in Halle: Wasser steigt noch Tage. Online verfügbar unter Hochwasser-Katastrophe in Halle: Wasser steigt noch Tage
  17. [17]Katastrophenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt KatSG-LSA
  18. [18]Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt (07.12.2010): Hochwasserschutzkonzeption des Landes Sachsen-Anhalt bis 2020. S. 26.
  19. [19]Quelle: Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Abfluss und http://de.wikipedia.org/wiki/Volumenstrom
  20. [20]Quelle: Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Abfluss
  21. [21]Salzlandkreis: Zur Hochwasser-Situation im Salzlandkreis. Online verfügbar unter Zur Hochwasser-Situation im Salzlandkreis , zuletzt geprüft am 04.06.2013
  22. [22]Webseite des Tiergartens Bernburg. Online verfügbar unter Webseite des Tiergartens Bernburg, zuletzt geprüft am 21.06.2013
  23. [23]Bundesanstalt für Gewässerkunde (2013): Datengrundlagen zur Einordnung und Bewertung hydrologischer Extreme. Online verfügbar unter Bundesanstalt für Gewässerkunde 2013, zuletzt geprüft am 30.06.2013
  24. [24]Wasserkraft Bernburg Mönchmeier GbR (2013): Hochwasser 2013: Neuer Höchstpegel wurde am 6. Juni verzeichnet, 07.06.2013. Online verfügbar unter Wasserkraft Bernburg Mönchmeier GbR, zuletzt geprüft am 28.06.2013
  25. [25]Online verfügbar unter PegelOnline
  26. [26]Prüfung per Android-Browser Dolphin am 21.06.2013 21:00 Uhr