In die weite Welt – und nie wieder kommen: Normalität?

Deutsche Emigranten betreten ein Dampfschiff in Hamburg (Deutschland) mit Kurs auf New York City (USA). Quelle: Wikipedia

Thomas Leopold, Autor einer Studie zur Wohnortwahl junger Erwachsener bringt es auf den Punkt: „Die meisten jungen Menschen bleiben in der Nähe der Eltern wohnen und verlassen ihr vertrautes Umfeld nicht”.

Diese Aussage verwundert, wenn man sich im Bernburger Bekanntenkreis umhört, denn dort erfährt man genau das Gegenteil: Kaum ein Jugendlicher möchte scheinbar einmal hier eine Familie gründen. Viele Eltern haben sich mit dieser Situation abgefunden.

“Die Jungen müssen doch hinaus in die Welt” heißt es dann oft “das ist doch normal”.

Sicher ist es wichtig, dass junge Menschen ihre Erfahrungen sammeln und das an möglichst unterschiedlichen Orten.

Abhängig vom Bildungsgrad gehört eine umfangreiche Ausbildungstournee zum guten Ton und wer nicht bereits mehrere Monate im Ausland verbracht hat, mindert in einer globalisierten Arbeitswelt seine Karrierechancen erheblich.

Doch ist es auch normal, nie wieder zurückzukommen?

Die oben zitierte Studie des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. vom April 2011 verlautbart das Gegenteil.

Ein Ergebnis, das auch von jüngsten Erfahrungen der recht erfolglos erscheinenden Rückholkampagne der Sachsen-Anhaltischen Landesregierung bestätigt wird.

Laut einem MZ-Pressebericht vom 09.12.2011 erteilte die Mehrheit der in der Stuttgarter Innenstadt angesprochenen jungen Menschen dem Anwerbeversuch der “Frühaufsteher” mit Worten wie “Ich will hier bleiben, zuhause ist es am Schönsten” eine Absage.

Währenddessen hält der Bevölkerungsrückgang in Sachsen-Anhalt weiter an.
Laut MZ-Grafik verlor der Salzlandkreis bis zum 30.06.2011 gegenüber dem 31.12.2010 1392 Einwohner. Die Bevölkerung des Salzlandkreises schrumpft damit, vor dem Landkreis Harz im Vergleich der 14 Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt am meisten.

Es wird Zeit, dass Eltern und Großeltern sich nicht weiterhin selbst mit den Worten “das ist doch normal” beruhigen, wenn es um die Zukunft Ihrer Kinder an einem weit entfernten Lebensort geht.

Den eigenen Kindern beim Auswandern zuzusehen macht depressiv und nimmt den Glauben an die Zukunft.

Es wird Zeit, diese für unsere Landschaft so fatale Entwicklung zu stoppen und unseren Kindern hier und jetzt eine lebenswerte Zukunft zu bauen, statt darauf zu vertrauen, dass dies andere Regionen Europas übernehmen werden.

Dazu müsste zunächst ein Bewusstseinswandel stattfinden, der an der scheinbaren Normalität, Auswanderungsland zu sein, rüttelt.

Ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen wäre, sich weniger mit der Gestaltung des eigenen Alterungsprozesses zu beschäftigen und mehr politische Verantwortung für kommende Generationen zu übernehmen.

Platz für die Lebenswelt unserer Kinder gibt es in Sachsen-Anhalt bald mehr als genug!

Weiterlesen…

  • MZ-Presseartikel “Hier geht keiner weg” vom 08.12.2011
  • Presseerklärung DIW zum Thema “In der Nähe von Mama und Papa ist es am schönsten”
  • DIW-Studie “How Far Do Children Move? Spatial Distances After Leaving the Parental Home”