Der Fund in der Burgkapelle
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- Der folgende Text nimmt auf meinen Beitrag im Band „Romanische Sakralbauten auf dem Bernburger Schlossberg“ Bezug.
- Mehr Informationen zur Freilegung der Reste der Bernburger Burgkapelle St. Pankratius in diesem Artikel…
Seit ihrer Auffindung gab eine in den Resten der Burgkapelle St. Pankratius als Spolie verbaute Tierskulptur Besuchern des Bernburger Schlosses Rätsel auf. Grobschlächtig und wenig ästhetisch reckt sie dem Betrachter ihr Zähne bewehrtes Maul entgegen. Die weit aufgerissenen Augen verleihen dem dargestellten Kopf etwas Maskenhaftes. Zwei Arme umfassen den Hals der Bestie und greifen unterhalb einen Gegenstand, so dass sein Kopf nach oben gezwängt wird. Beachtet man die Position der beiden Arme in Bezug auf den Körper des Tieres, wird schnell deutlich, dass es sich dabei nicht um die Gliedmaßen des Ungeheuers handeln kann. Stattdessen scheinen die Arme aus dem darüber liegenden halbkegelförmigen und konsolenartigen Bauteil herauszuwachsen. Kopf und Hals des Tieres dienen somit als seine Stütze.
Die beiden massiven Blöcke mit der Skulptur wurden im Zuge der Freilegung der Burgkapelle am 5. Februar 1973[1]Die Fundnotiz wurde mir dankenswerterweise vom langjährigen Museumsdirektor Herrn Ottomar Träger zur Verfügung gestellt. unterhalb des ehemaligen Kapellenbodens ausgegraben und später in die wiedererrichtete Nordwand eingemauert.
Halbkegelförmige Vorkragungen ähnlicher Dimension finden sich an romanischen Bauten recht häufig als Fuß von Altar- oder Kapellenerkern. Besonders im Bereich der Profanarchitektur wurde es so möglich, Orte zu schaffen, die dicht in der Nähe von Wohnräumen lagen und dennoch einen explizit sakralen Charakter aufwiesen.
Die über den halbrunden Erker ausgekragte Konche diente häufig als Standort eines privaten Altars, der nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich war. Gleichzeitig markierte er am Außenbau den Ort religiöser Aktivität und kennzeichnete somit, ähnlich wie bei eigenständigen Kapellenbauten, das Gebäude oder die Burg insgesamt als sakralen Ort. Weiterhin konnte der Kapellenerker auch zur Aufnahme wertvoller Reliquien dienen.
Die Bernburger Tierskulptur ist recht grob gearbeitet und somit wohl auf Fernwirkung und Untersicht konzipiert. Dem heutigen Besucher präsentiert sie sich hingegen auf Augenhöhe. Der ursprüngliche Eindruck wird somit in der jetzigen Einbausituation verschleiert. Die deutlich dargestellten Zähne und weit aufgerissenen Augen kennzeichnen wichtige Attribute eines mittelalterlichen Drachens. Die Zähne gelten dabei als Ausgangspunkt der sprichwörtlichen „Drachensaat“. In Konrad von Würzburgs Trojanerkrieg (vor 1287) tötet Kadmos an dem Ort, wo später die Burg Theben gegründet wurde, den „heiligen Drachen [aus] dessen Zähne [….] in die Erde [gesät], [….] bewaffnete Männer sprossen.“[2]Manfred Stuckmann, Wappenschilderungen und allegorische Anspielungen in Konrad von Würzburgs Trojanerkrieg unter Berücksichtigung stilistischer Grundzüge und geschichtlichen Hintergrundes. … Continue reading
Zur Drachenkampfszene aus dem Tristan-Roman des Gottfried von Straßburg (um 1210) schreibt Simone Kraft in ihrer Arbeit „Der Drachenkampf in der Literatur des Mittelalters“: „Der Drache verliert im Laufe der Geschichte zunehmend seine Gestalt, und der Fokus wird immer mehr auf seinen Rachen gelegt. So werden zuerst die spitzen Zähne geschildert, bis sich seine Gestalt nur noch durch die fürchterlichen Schreie des Tieres, die man noch weit außerhalb des Landes hören kann, äußert, und sich in weiterer Folge auf die Zunge des Drachen beschränkt.“[3]Simone Kraft, Der Drachenkampf in der Literatur des Mittelalters 2009, S. 56. Im Trojanerkrieg schildert Konrad von Würzburg auch die Gefährlichkeit des Drachenblicks: „Den scharfen Blick, der dem Drachen zu eigen ist, interpretiert Konrad mit „übelichen ougen“ (V9787) als „bösen Blick, womit analog zur Schlange ihm auch „magische Kraft“ zukommt.“[4]Stuckmann, S. 127. Auch der unförmige Körper und die kaum als ästhetisch zu bezeichnenden Proportionen passen in das Bild des Drachens: „Neben der von der regellosen Farbverteilung hervorgerufenen Antipathie ist der Drache weiterhin in dem fehlenden körperlichen Ebenmaß mit einer ‚großen und breiten Brustpartie‘ (vgl.V9826) und einem sich nach hinten ‚gefüeger unde kleiner‘ (V9829) darstellenden, verjüngenden Leibesumfang insgesamt als unförmig anzusehen.“[5]ebd., S. 128 ff.
Fußnoten
↑1 | Die Fundnotiz wurde mir dankenswerterweise vom langjährigen Museumsdirektor Herrn Ottomar Träger zur Verfügung gestellt. |
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↑2 | Manfred Stuckmann, Wappenschilderungen und allegorische Anspielungen in Konrad von Würzburgs Trojanerkrieg unter Berücksichtigung stilistischer Grundzüge und geschichtlichen Hintergrundes. Wuppertal 2003, S. 131. |
↑3 | Simone Kraft, Der Drachenkampf in der Literatur des Mittelalters 2009, S. 56. |
↑4 | Stuckmann, S. 127. |
↑5 | ebd., S. 128 ff. |