Leserbrief zum MZ-Artikel “Baudezernat im Rathaus fällt ab Juli weg”

Gestoppte Baumaßnahme an der Leuchte: Das Bernburger Schloß benötigt jeden Cent. Warum wird die Chance "Reformationsjubiläum 2017" nicht genutzt?

Mein folgender Leserbrief zum MZ-Artikel “Baudezernat im Rathaus fällt ab Juli weg” vom 17.05.2013 wurde am 29.05.2013 im Lokalteil Bernburg der MZ veröffentlicht:

Holger Köhncke ist offiziell bald als Baudezernent Geschichte. Bei Köhnckes „Baby“ – dem Campus Technicus – explodieren die Kosten, trotz harter Einschnitte. Scheinbar noch nicht einmal eine funktionierende Webseite kann sich der Campus noch leisten. Die seit 2009 offline geschaltete „Lebenswelt Schule“ entlässt ihre jungen Besucher in eine Umgebung mit Straßen, eng wie Flaschenhälse, fehlenden Radwegen und ohne leistungsfähige ÖPNV-Anbindung. Zum Sport-Unterricht und zum Mittagessen geht es über ein „Privatgrundstück“.

Und wie sieht es mit dem Schloss aus? Der Stadtverwaltung ist es ja nun erfolgreich gelungen, alle anderen Partner von ihrer Verantwortung für dieses überregionale Denkmal zu erlösen. Nun will das Land sparen, wo es kann. Millionen aus Magdeburg, wie in der Vergangenheit, sind wohl nicht mehr zu erwarten. Holger Köhncke selbst bezeichnete das Schloss in einem Vortrag am 15.11.2012  nur noch als „Kulisse“. Während überall in der Stadt das erst vor wenigen Jahren verbaute Pflaster zu bröckeln beginnt, darf gar nicht daran gedacht werden, was wird, wenn die neuen Risse am schiefen Eulenspiegelturm breiter werden und sich der Blaue Turm langsam unter der Last seiner Spitze aufbläht. Namhafte Wissenschaftler aus ganz Deutschland sind begeistert von den Bernburger „Leuchten“, einem bundesweit einzigartigen Zeugnis der Reformation und Renaissance. Die „Leuchten“ hätten das Zeug dazu, Besucher sogar aus dem entfernten München nach Bernburg locken zu können.

Statt aber wenigstens ein paar Touristen mit einer zumindest provisorischen Ausstellung vom Weltereignis 2017 abzweigen zu wollen, leistet sich die Freizeit GmbH erst einmal ein neues Erdmännchen-Gehege für schlappe 125000 Euro. Nur nebenbei: Im Jahr 2011 führten die Stadtwerke, laut dem jüngsten Beteiligungsbericht, 3,742 Mio. Euro Gewinn an die Muttergesellschaft Freizeit GmbH ab, das entspricht einem Anteil von mehr als 100 Euro pro Einwohner der Gesamtstadt inklusive aller neuen Ortsteile. [Die grünen Markierungen wurden von der Redaktion gekürzt]

Weil Mittel aus der Stadtentwicklung und dem Denkmalschutz in die Abenteuer Campus Technicus und Schloss fließen, fehlen sie bei der Stadtsanierung. Nachdem sich vor Jahren ein von der Stadtverwaltung eingefädeltes Investitions-Projekt für die Häuser am Saalplatz in Luft auflöste, wird das letzte erhaltene Stück Alt-Bernburg und einstige Herz der Stadt, die Bernburger „Freiheit“, wohl bald aus „Mut zur Lücke“ geopfert werden.

Bekanntlich fielen in Bernburg ja fast keine Bomben, auch wenn die Talstadt inzwischen in Teilen fast so aussieht wie die Innenstadt von Dessau. Talstädter Plattenbauten, in den 70ern in Erwartung eines nie gebauten Kaliwerkes bei Aderstedt errichtet, führten zu einem Überangebot an Wohnraum – das war der Todesstoß für die Altstadt, von der nach sozialistischer Stadtplanung ja sowieso nur die Marienkirche stehen bleiben sollte.

An dieser Stagnation hat sich bis heute nicht viel geändert, denn die lukrativen Platten sind saniert und an Angeboten von Bauplätzen für Eigenheime im Bernburger Speckgürtel mangelt es wahrlich nicht.

Hut ab vor Herrn Schütze, wenn er sich nun diesen Aufgaben persönlich stellen will! Ich denke, dass er dabei den Rat seiner Bürger bald mehr brauchen wird, als je ein Bürgermeister zuvor!