Am 25.08.2011 befasst sich der Bernburger Stadtrat nur informativ mit einem Antrag zur Ausweitung der Müllverbrennung in Bernburg. Verwaltung und Bürgermeister unterstützen das Anliegen des Betreibers. Begründung: Trotz der Veränderung des Betriebes gäbe es keine Veränderung bei den für den Bebauungsplan wichtigen Kenngrößen (z.B. Emissionen) – sagt der Betreiber.
Nach “vorläufiger Einschätzung” der Genehmigungsbehörde sind durch die Betriebsveränderung keinerlei Mehremissionen zu erwarten, glaubt die Bernburger Stadtverwaltung.
Die oppositionellen Fraktionen im Bernburger Stadtrat lehnen das Vorhaben ab, begrüssen es aber, überhaupt von der Verwaltung informiert worden zu sein. Tun könne man aber nichts.
Die Strategie des Betreibers, zunächst die Genehmigung unter dem moderaten Titel „Ersatzbrennstoff-Heizkraftwerk“ zu beantragen und dann die Anlage nach ca. einem Jahr und dem Zusammenbruch der Bernburger Bürgerinitiative BISA offiziell zur Müllverbrennungsanlage umzuwidmen, geht auf! Kritische Gutachten über die Auswirkungen der neuen Betriebsform auf die Gesundheit der Bernburger, die umgebenden Naturschutzgebiete und den Verkehr gibt es nicht!
In der gestrigen (24.08.2011) Regionalausgabe der MZ veröffentlichte der Bernburger Stadtrat Eberhard Blazer (Die Linke) einen Leserbrief zum Thema Müllentsorgung in Bernburg. Mehrere Betriebe (die zweitgrößte Müllverbrennungsanlage Sachsen-Anhalts auf dem Solvay-Gelände, die Verbrennungsanlage von Schwenk-Zement, AUREC, Multiport & Multipet) machen Bernburg zum Ziel lukrativer Mülltransporte aus ganz Europa.
Ursprünglich sollten in der Müllverbrennungsanlage auf dem Solvay-Gelände ja nur industrielle “Ersatzbrennstoffe“ verbrannt werden. Nun informiert die Stadtverwaltung den Bernburger Stadtrat darüber, dass dem beantragten Wunsch des Betreibers zur Möglichkeit der „thermischen Behandlung von Abfallreststoffen oder Abfällen“ in der Bernburger Anlage unterstützt.
In der Informationsvorlage für den Stadtrat heißt es dazu: „Aus materieller Sicht sollen ca. 10 % mehr Abfallarten als bisher verwendet werden, sie sind im einzelnen in der Verwaltung einsehbar. Weiterhin soll es möglich sein, nicht vorbehandelte gemischte Siedlungsabfälle anteilig im Rahmen der bestehenden Gesamtkapazität beizumischen. Dadurch ändert bzw. erweitert sich die Spanne an Heizwerten der einzelnen Abfallarten, wobei das bisherige Mittel bestehen bleibt. Weiterhin soll die sogenannte ‘Bagatellgrenze’ für die Anlieferung von Kleinerzeugern von 500 auf 2000 t pro Jahr erhöht werden.”
Die Verwaltung begründet gegenüber dem Stadtrat die Zustimmung zum Antrag: „Die vorläufige Einschätzung der Genehmigungsbehörde sieht mit dem Antrag keinerlei immissionsschutzrechtliche Probleme verbunden. Die Parameter und Qualität der bestehenden Anlagentechnik lässt die antragsgemäße Nutzung unkritisch zu. Unter diesen Voraussetzungen schätzt auch die Verwaltung ein, dass das Genehmigungsverfahren positiv begleitet werden kann.“
Im Zusammenhang mit dem Leserbrief und der Stadtratssitzung am 25.08.2011 habe ich an alle Fraktionen des Stadtrates folgende Fragen gestellt:
- Was bedeutet es nach Ihrer Meinung, wenn aus dem “Ersatzbrennstoff-Heizkraftwerk Bernburg” ein “Betrieb einer Anlage zur thermischen Behandlung von Abfallreststoffen oder Abfällen” wird?
- Wie beurteilen die Sie die Auswirkung auf die Umwelt und die Gesundheit der Bernburger Bürger durch den damit veränderten Betrieb der Anlage in Hinsicht auf die im Leserbrief geäußerte Tatsache, dass “zehn Prozent mehr Abfallarten als bisher verwendet werden und nicht vorbehandelte, gemischte Siedlungsabfälle … beigemischt werden” können?
- Ist Ihnen die “Informationsvorlage” bekannt? Wie beurteilen die Sie die Vorgehensweise, dass der Bürgermeister der Stadt dieser erheblichen Umwidmung der Anlage zustimmt und den Stadtrat nur mit einer “Informationsvorlage” in Kenntnis setzt in Hinsicht auf demokratische Entscheidungsprozesse in der Stadt Bernburg?
Bisher erhielt ich von der SPD-Fraktion, den Grünen und der Fraktion „Die Linke“ eine Reaktion auf meine Anfrage. Die sich in Regierungsverantwortung befindenden Fraktionen der CDU und FDP aber auch die BBG reagierten nicht.
Die SPD steht der Annahme, dass durch den erweiterten Betrieb keinerlei immissionsschutzrechtlichen Probleme verbunden sind, kritisch gegenüber: „Vor allem die Tatsache, dass zunehmend unsortierter Industrie- und Hausmüll eingebracht werden soll der auch nicht mehr dahingehend zu kontrollieren ist welche Schadstoffe sich darin befinden stimmt bedenklich“ heißt es in dem Antwortschreiben.
Die Grünen äußerten bezüglich der Betriebsänderung „erhebliche Bedenken“ und erarbeiteten zur Stadtratssitzung am 25.08.2011 einen Fragenkatalog, der sich mit drei ungeklärten Problemen (Emissionshöhe, verstärkter LKW-Verkehr und der Erhöhung des Anteils unklassifizierten Mülls) bei der Betriebsänderung beschäftigt.
Auch die Fraktion „Die Linke“ lehnt das Vorhaben ab. Sie geht in Ihrer Stellungnahme davon aus, dass die Ausweitung der verbrennbaren Müllarten wirtschaftliche Gründe hat und es zu einer Erhöhung der ausgestoßenen Schadstoffe kommen wird.
Gleichzeitig sieht sie aber keine Möglichkeiten für den Stadtrat, Einspruch gegen den Antrag zu erheben.
Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Anlage bisher scheinbar kaum ausgelastet war. Wenn nun alles verbrannt werden kann, was per erweiterter Genehmigung möglich ist, hofft der Betreiber der Anlage offensichtlich auf lukrative Mülltransporte aus ganz Europa.
Unsere Bernburger Stadtverwaltung und mit ihr offensichtlich auch die regierende CDU und FDP-Fraktion möchte das „Genehmigungsverfahren positiv begleiten“ und damit die Gewinnmaximierung des Betreibers aktiv unterstützten. In der Informationsvorlage heißt es dazu: „Durch die Änderungen versucht der Antragsteller letztlich lediglich, auf dem hart „umkämpften“ und begrenzten Abfallmarkt eine größere Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltigere Wirtschaftlichkeit zu sichern.“
Welcher Bernburger Bürger bekommt da nicht Mitleid mit dem scheinbar in Not geratenen Betreiber der Anlage!
Weitere Informationen zum Thema:
- Informationsvorlage-Nr. 125/11 der Stadtverwaltung Bernburg zur Abstimmung am 25.08.2011
- [wpfilebase tag=file id=6 tpl=simple]
- [wpfilebase tag=file id=5 tpl=simple]
- Wikipedia-Artikel zum Ersatzbrennstoff-Heizkraftwerk Bernburg
Leserbrief von Eberhard Blazer
(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors)
Siedlungsabfälle in den Kraftwerksofen
Mängel bei nicht normgerecht angelieferten konterminierten Stoffen bei AUREC in Bernburg führten im Dezember 2009 zu erheblichen Geruchsbelästigungen, besonders im Bereich der Neubornaer Straße und Umgebung und zum längeren Ausfall eines der zwei Silos (die konterminierten Abfälle werden von Esco Bernburg in stillgelegten Stollen verfüllt).
Produktionserweiterungen bei Multiport um 40 Prozent (von 25 000 t/a auf 40 000 t/a) und Multipet um 20 Prozent (von 25 000 t/a auf 30 000 t/a) werden die Besorgnisse der Anwohner und Kleingärtner nicht beseitigen. Multiport und Multipet sind Betriebe, die Kunststoffabfälle recyclen. In diesem Jahr wurden schon an mehr als 20 Tagen erhebliche Geruchsbelästigungen festgestellt.
Und nun werden die Befürchtungen der einstigen Bürgerinitiative gegenüber der Müllverbrennung im EBS-Heizkraftwerk wahr. Das EBS (Ersatzbrennstoffe aus Papier, Holz, Kunststoffe und Textilien) Heizkraftwerk, ein Betrieb der Energie Anlage BBG in der Köthenschen Straße, beantragt seinen Namen zu ändern in “Betrieb einer Anlage zur thermischen Behandlung von Abfallreststoffen oder Abfällen”.
Was ist darunter zu verstehen? Es können zehn Prozent mehr Abfallarten als bisher verwendet werden und nicht vorbehandelte, gemischte Siedlungsabfälle dürfen beigemischt werden. Vom Betreiber wird prognostiziert – obwohl keinerlei praktische Erfahrungen vorliegen – dass durch die Änderungen keinerlei nachhaltige Auswirkungen zu erwarten sind. Beim Bau der Müllverbrennungsanlage wurde argumentiert, dass bei einer Nichtgenehmigung die Zukunftssicherung von Arbeitsplätzen in Frage gestellt ist. Jetzt wird das Argument verwendet, dass auf dem hart “umkämpften” und begrenzten Abfallmarkt eine größere Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltige Wirtschaftlichkeit gesichert werden kann. Das heißt, es geht um den Profit des Betreibers, das Wohl der Bürger ist sekundär.
Die Bernburger Stadträte wurden nur durch eine Informationsvorlage von der Zustimmung des parteilosen Oberbürgermeisters informiert. Auf meine bisherigen Anfragen als Stadtrat, ob die Summe der Emissionen der Betriebe Schwenk-Zement, Schwenk-Dämmstoffwerk, Multiport, Multipet und der Müllverbrennungsanlage über der gesetzlich zulässigen Grenze liegt, habe ich bisher keine Antwort erhalten.
Eberhard Balzer, Bernburg