Warum „vergammelt“ unser Haus in der Theaterstraße?

Warum „vergammelt“ unser Haus in der Theaterstraße?

Deckblatt Dokumentation zum Gebäude
Dokumentation zum Gebäude Theaterstraße 11

Auf der Stadtratssitzung am 23.06.2011 spielte der Zustand unseres Wohnhauses in der Theaterstraße 11 eine größere Rolle als der demographische Wandel.

Da in unser Haus öffentliche Fördermittel geflossen sind, finde ich natürlich das Interesse der Politiker an dem Objekt durchaus verständlich. Bei dem Gebäude handelt es sich immerhin um ein bedeutendes Einzeldenkmal.

Meine Frau und ich, sowie mein Sohn leben zurzeit in zwei Zimmern zur Untermiete bei meiner Mutter im Saalweg. Zusätzlich haben wir für unsere Selbständigkeit Unterrichtsräume im Schloss Bernburg angemietet. Geplant ist es, unseren Wohn- und Arbeitsraum in unser Haus in der Theaterstraße zu verlegen.

Meine Frau, in Bernburg geboren, aber als Nachfahrin sudentendeutscher Flüchtlinge hier immer noch nicht völlig kulturell beheimatet, wollte nach ihrem Studium in Leipzig eigentlich nicht nach Bernburg zurückkommen.

Da ich aber meine Stadt Bernburg wirklich liebe, habe ich sie überredet, ihr Geld, das aus dem Verkauf eines Familiengrundstücks in Bernburg stammt, in den Kauf des Objektes Theaterstraße 11 zu investieren. Das war im Jahr 1996.

Damals bekam man solche Grundstücke leider noch nicht für wenige Tausend Euro, weil man im Allgemeinen noch an einen großen Immobilienhype in den neuen Bundesländern glaubte. Wir bezahlten also an den Besitzer Herrn Hans-Dietrich Eggert aus Bremen den Kaufpreis von 131.000 DM. Dieser wollte das Haus zunächst abreißen lassen, um neu zu bauen.

Hätte es damals schon die im „Fokus Saale“ enthaltene Unwirtschaftlichkeitsklausel gegeben, würde dieses Einzeldenkmal heute vielleicht nicht mehr stehen.

Und unwirtschaftlich ist die denkmalgerechte Erhaltung dieses Gebäudes auf jeden Fall, denn die komplizierte Gebäudestruktur (siehe Dokumentation), die sich hinter der scheinbar so massiven Barockfassade verbirgt, macht das Objekt für jeden Investor, der eine Immobilie vor allem als Geldanlage gebrauchen möchte, zum Albtraum. Dem letzten Eigentümer war das bewusst und er hatte sich entschieden, entweder zu dem oben genannten Preis zu verkaufen oder das Gebäude verfallen zu lassen.

Auch uns war schon nach der ersten Begehung klar, dass man hier nicht entkernen kann. Aber das wollten wir auch nicht. Sicher etwas naiv und von dem Charme dieses Gebäudes und seiner Geschichte überwältigt stürzte ich mich in das Abenteuer Theaterstraße 11 und zog meine Frau mit hinein.

Für die Unterstützung der Stadt Bernburg und der Stiftung Denkmalschutz bei der Erhaltung dieses Gebäudes möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Nur so war es uns möglich, den drohenden Einsturz des Haupthauses zu verhindern, das Grundstück von ca. 130 Tonnen Müll zu beräumen und auch die „Kelterei“ auf dem Hof zu erhalten. Wir haben uns stets bemüht verantwortungsvoll mit den Fördermitteln umzugehen (genaue Angaben zur Verwendung der Fördermittel findet der Leser in der Dokumentation).

Die Frage, warum das Gebäude 15 Jahre nach dem Kauf immer noch mit einer unsanierten Fassade leer steht, kann beantwortet werden. Nachdem das Vermögen meiner Frau in meinen Haustraum geflossen war, verfügen wir als ehemalige DDR Bürger über keine weiteren Rücklagen, die sofort in die weitere Sanierung investiert werden können.

Da wir das Gebäude im Ganzen (also auch mit seiner inneren Struktur und den Deckenhöhen) erhalten müssen und wollen (siehe Dokumentation), klappt die Refinanzierung über Mieter hier nicht. Schnell zu entkernen, um die beim Altbau vorhandenen baulichen und damit finanziellen Risiken auf ein Immobilienkredit-Gefälliges Maß zu reduzieren, wie bei unseren beiden Nachbarhäusern geschehen, ist also nicht möglich.

Stattdessen wehrt sich das alte Haus, charmant und ausdauernd, mit seiner ganzen „Schiefheit“ gegen die moderne Technik. Und genau das ist es, was wir an ihm lieben!

Dennoch wollen wir natürlich gern hier wohnen!

Im Moment sind unsere Schulden auf „Kleinkreditniveau“ zusammengeschrumpft. Da in Bernburg aufgrund des demographischen Wandels bald mit einer Immobilienblase zu rechnen ist, gehe ich in wenigen Jahren von stark steigenden Kreditzinsen aus. Das finanzielle Abenteuer einer kreditfinanzierten Totalsanierung erscheint uns deshalb zu hoch. Nur kleine Schritte sind verantwortbar. Jeder (schuldenfinanzierte) Euro sollte möglichst sinnvoll eingesetzt werden. Natürlich verfolgen wir, schon aufgrund unserer derzeitigen Lebensumstände, immer noch das Ziel in der Theaterstraße leben zu können.

Wenn wir schon Schulden machen müssen, dann so gering wie möglich, denn wir haben nicht vor, in wenigen Jahren Privatinsolvenz anzumelden. Im Moment versuchen wir deshalb zu ermitteln, wie viel Geld im minimalsten Fall für das Ziel der Bewohnbarmachung des Gebäudes benötigt wird. Da dies nur über ein genaues Aufmaß (ähnlich wie im Schloss in 3d) erfolgen kann, sind wir im Moment dabei das Gebäude mit dieser Technik genau zu erfassen.

Auf der Einnahmenseite hängt unsere Entscheidung, sich in Bernburg endgültig niederzulassen, von der weiteren Einschätzung der kulturellen Entwicklung der Stadt ab.

Wir sind selbständig im Bereich der Kultur und Bildung tätig und stehen in Konkurrenz zu hochsubventionierten staatlichen Einrichtungen.

Um gute Qualität leisten zu können, ist auch die Freude an der Arbeit wichtig und die Hoffnung, dass sich das Engagement, welches über die bezahlte Leistung hinausgeht, irgendwann in Form einer höheren kulturellen Lebensqualität lohnt.

Deshalb sehe ich meine Initiative „Bernburg braucht ein junges Herz“ als direkte Investition in unsere Zukunft. Unsere Lebensgrundlage hängt auch davon ab, wie vielen Eltern es wichtig ist, dass ihr Kind aktiv am kulturellen Leben seiner Umgebung teilnimmt. Werte wie ein demokratisches Miteinander, eine unabhängige und selbstbestimmte kulturelle Lebensqualität und eine lebendige und offene Kulturszene bilden die Basis für unsere Existenz.

Eben diese Dinge sind in unserer Stadt keine Selbstverständlichkeit. Für sie muss tagtäglich und oft ehrenamtlich aktiv gearbeitet werden.

Leider muss ich ihnen deshalb zumuten, die „vergammelte“ Fassade unseres Hauses in der Theaterstraße 11 noch etwas länger zu ertragen und ich hoffe die Bernburger mit meinem ehrenamtlichen Engagement und meiner Forschung zur Stadtgeschichte etwas entschädigt zu haben. Wenn wir Geld investieren, dann sicher nicht zuerst in Schöheitsreparaturen, auch wenn eine „ordentliche“ Fassade mit Gardinen an den Fenstern trotz eines leerstehenden Objekts die Gemüter sicher schnell beruhigen würde.

Droht in Bernburg eine Immobilienblase?

Natürlich bin ich kein Immobilienexperte. Deshalb äußere ich hier nur meine subjektive Meinung, die ich mir auf der Basis zahlreicher Gespräche in den letzten Wochen gebildet habe.

Scheinbar gibt es in Bernburg eine nicht unerhebliche Zahl von Einfamilienhäusern, die sich im Besitz von Senioren befinden. Ursprünglich waren diese Immobilien oft auch als Investition in die Zukunft der eigenen Familie geplant. Viele Hauseigentümer glaubten, dass sie mit ihrem Einfamilienhaus auch einen Platz für zukünftige Generationen ihrer Familie schufen.

Zumindest als Geldanlage für die Altersversorgung sollte das Gebäude dienen. Viele Finanzberater haben ja Immobilien als Geldanlagen versprochen, die man im Rentenalter verkaufen könne, um dann seinen Lebensabend finanziell unabhängig gestalten zu können.

Leider machen die demographische Entwicklung und die Abwanderung von jungem Menschen auch hier einen Strich durch die Rechnung.

Längst haben sich die Kinder oder Enkel vieler Hauseigentümer in anderen Regionen niedergelassen, dort eine Familie gegründet und oft selbst Hausbesitz erworben.

Eine Rückkehr in das elterliche Haus ist damit unwahrscheinlich geworden.

Der unproportional hohe Anteil gleichaltriger Hausbesitzer wird deshalb zur Folge haben, dass der Bernburger Immobilienmarkt schon in wenigen Jahren von Verkaufsangeboten überschwemmt werden könnte. Die einzelnen Häuser würden dann stark an Wert verlieren.

Damit würde auch der Wert der Sicherheiten für zahlreiche laufende Bank-Finanzierungen zurückgehen. Ein Sachverhalt, den die Banken über steigende Kreditzinsen regeln.

Deshalb gehe ich in den nächsten Jahren von steigenden Kreditzinsen und einer Verschlechterung des allgemeinen Ratings von laufenden Finanzierungen aus.

­Dieses Thema bedürfte dringend der weiteren fachlichen Untersuchung, um schon jetzt auf seine Konsequenzen reagieren zu können!

 

Blog zur bürgerschaftlichen Lebenskultur in Bernburg