Ho! Ho! Ho! So viel Heimlichkeit oder: ISEK – So funktioniert Bürgerbeteiligung in Bernburg!

Eine Bernburger Weihnachtsmärchen?

Quelle: wikipedia (Lorenzo di Credi-Geburt Christi.JPG, Public domin und "Gift-wraping.jpg" Wikipedia, CC BY-SA 3.0, Autor: BlairSnow
Quelle: wikipedia (Lorenzo di Credi-Geburt Christi.JPG, Public Domain) und “Gift-wraping.jpg” Wikipedia, CC BY-SA 3.0, Autor: BlairSnow

Während es verschiedentlich hier und da schon die eine oder andere Weihnachts- und Knusperstunde gibt, hat sich die Bernburger Stadtverwaltung für die diesjährige Weihnachtssitzung des Stadtrates am 12.12.2013 eine ganz besondere Sensation einfallen lassen.

Dabei hält man sich an die Tradition, dass die Vorweihnachtszeit ja die Zeit der Heimlichkeiten und Überraschungen ist. In einer geheimen Weihnachtswerkstatt haben fleißige Hände in den letzten Tagen und Wochen emsig an dem “Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK)“ geschrieben und wieder viele bunte Bildchen und Kärtchen gemalt und gezeichnet.

Nachdem es der zuständige Sanierungsausschuss in einer Advents-Sondersitzung am 10.12.2013 schön in Geschenkpapier einwickeln wird, ist es dann schon zwei Tage später, am 12.12.2013 so weit: Erst wenn dann der Stadtrat feierlich den Baum geschmückt und das ISEK-Geschenk ausgepackt (beziehungsweise beschlossen) hat, dürfen auch die lieben Bürger zur Bescherung antreten.

Und wer ganz brav gewesen ist, sich keinerlei Widerspruch oder Nörgelei zuschulden kommen lassen hat, darf dann dem Weihnachtsmann in seiner Amtsstube über die Schultern sehen und kann vielleicht auch den einen oder anderen Blick auf unser diesjähriges Weihnachtsmärchen erhaschen.

So schön und spannend kann Weihnachten im Bernburger Rathaus sein!

Spaß beiseite!

So also funktionieren in Bernburg die „erfolgreichen Kommunikationsstrukturen zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung […], die seit Jahren bei der Durchführung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme praktiziert werden.“ (Fokus Saale S. 6)

Aber was ist eigentlich ein ISEK (Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept)?

Ein ISEK schafft konkrete, langfristig wirksame und vor allem lokal abgestimmte Lösungen für eine Vielzahl von Herausforderungen und Aufgabengebieten wie zum Beispiel städtebauliche, funktionale oder sozialräumliche Defizite und Anpassungserfordernisse. Ein ISEK zeigt diese Problembereiche für einen konkreten Teilraum auf und bearbeitet sie ergebnisorientiert. Dabei berücksichtigt es regionale und gesamtstädtische Rahmenbedingungen. Nach der Verwaltungsvereinbarung (VV) Städtebauförderung ist die Erstellung eines ISEK Fördergrundlage für sämtliche Programme der Städtebauförderung. ISEK sind damit ein zentrales Element der Städtebauförderung und für kommunale Akteure ein unverzichtbarer Teil ihres beruflichen Alltags. An sie richten sich die Empfehlungen dieser Arbeitshilfe“ heißt es in der vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung herausgegebenen Arbeitshilfe.

Dieses wichtige Konzept soll als Konzept, dass „einen ganzheitlichen, integrierten Planungsansatz unter Beachtung sozialer, städtebaulicher, kultureller, ökonomischer und ökologischer Handlungsfelder“ verfolgt, ausdrücklich „unter Beteiligung der Öffentlichkeit entstehen.

Das ist der Masterplan für die Zukunft unserer Stadt!

Ein ISEK ist also nicht nur irgendeine Fleißaufgabe für Schreiberlinge in abgeschirmten Amtsstuben, sondern nichts weniger als DER Masterplan für die Entwicklung einer Stadt.

Fragen, wie auf soziale Herausforderungen, wie den demografischen Wandel reagiert werden soll, müssen hier ebenso beantwortet werden, wie ökologische Themen, wie die Veränderungen, die sich durch die neue Datenlage nach dem Hochwasser im Jahr 2013 für die Stadtplanung ergeben.

So etwas sollte natürlich nicht „zwischen Tür und Angel“, oder besser Nikolaustag und Weihnachten beschlossen werden!

Der Leitfaden des Bundesministeriums wird unter dem Punkt „Bürgerinnen und Bürger frühzeitig beteiligen“ sehr deutlich: „Ein frühzeitig und offen gestalteter Dialogprozess erlaubt es interessierten Bürgerinnen und Bürgern, Fragen, Ideen und Anregungen in den ISEK-Prozess einzubringen. Frühzeitig und offen ist Beteiligung dann, wenn im Rahmen des wirtschaftlich und rechtlich Realisierbaren noch Entscheidungsspielräume vorhanden sind. So lässt sich sicherstellen, nicht an Bedarfen und Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger vorbeizuplanen. Der Dialog schafft zudem Möglichkeiten zur kritischen Auseinandersetzung und dient der Mediation unterschiedlicher Standpunkte. Das Vertrauen in Planung und Maßnahmen wird gestärkt. Zudem ist es hier wichtig, die Grenzen des Machbaren frühzeitig offen zu kommunizieren.

Gibt es nichts zu besprechen? Es geht um nichts weniger, als die Zukunft der Stadt und das Geld der Bürger!

Genau dieser Prozess wäre für Bernburg extrem wichtig! Wo soll die Reise hingehen und wofür soll das Geld der Bürger, welches in Form von Ausgleichsbeiträgen eingenommen wird, zukünftig ausgegeben werden? Können wir uns in Zukunft finanzielle Abenteuer, wie die Sanierung des Schlosses oder aufwändige Großbauten als Stadt noch leisten? Welche Vorkehrungen müssen getroffen werden, um der drohenden Altersarmut zu begegnen? Müssen wir zum Schutz der Talstadt mehr tun, als nur Teile der Stadtmauer zu sanieren? Wollen wir Parkanlagen für Parkplätze platt machen? Welche Finanzierungsherausforderungen bei der städtischen Infrastruktur kommen auf uns zu? Wie schaffen wir es, mehr junge Menschen in unserer Innenstadt anzusiedeln? Fragen über Fragen!

Bürgerbeteiligung? Fehlanzeige in der „Residenzstadt“ Bernburg!

Bernburgs Zukunft ist nicht selbstverständlich sicher! Sachsen-Anhalt steht vor der zweiten „Großtransformation“ nach der Wende 1989: „Sachsen-Anhalt – wie auch die anderen östlichen Bundesländer […] befindet es sich damit mittlerweile in einer neuerlichen [Großtransformation Anm. d. Verf.]. Diese wird einerseits bestimmt und erzwungen durch den demographischen Wandel, andererseits verschärft durch den gleichzeitigen Abschied von der transfergetriebenen Entwicklung der ostdeutschen Städte und Regionen(Demographischer Wandel als Querschnittsaufgabe, Aufsatz: Sachsen-Anhalt als ‚Hot Spot‘ der demographischen Entwicklung in Deutschland S. 15).

Nichts wird mehr benötigt, als intelligente und fachlich solide Konzepte!

Die skandalöse Praxis des „Durchwinkens“ von Planungsprozessen, die eigentlich dazu führen sollen, möglichst viele gute Ideen der Bürger für ihre Stadt aufzugreifen und in einem Beteiligungsprozess dafür zu sorgen, dass Gegensätze friedlich und konstruktiv ausdiskutiert werden, führt zum Niedergang der demokratischen Kultur in Bernburg. Niemand in der Verwaltung sollte sich dann noch wundern, wenn sich die Bürger dieser Stadt abwenden, wenn es um die Übernahme von Verantwortung geht!

+++ Start Update 09.12.2013 +++

Nach Konversation unter Einbeziehung des IfS Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH Berlin teilte mir eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung Bernburg mit, dass bisher keine Bürgerbeteiligung zum Thema “Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept” (ISEK) in Bernburg erfolgt ist. Der Dezernent der Stadtverwaltung Bernburg, Herr Holger Dittrich teilte in einem weiteren Anruf mit, dass der Punkt von der Tagesordnung der Stadtratssitzung am 12.12.2013 genommen werden soll. Das ISEK soll nun im Internet veröffentlich und in der Verwaltung ausgelegt werden, um den Bürgern Möglichkeiten zur Mitbestimmung zu geben.

+++ Ende Update 09.12.2013 +++