Fokus Saale – Eine kritische Stellungnahme

Ein Aufruf zur bürgerschaftlichen Diskussion des Projektes “Fokus Saale”

WordCloud Fokus Saale
Worthäufigkeit (WordCloud) des Konzeptes Fokus Saale. Mir wichtige Worte (Menschen, soziale, Erhalt, Stadtkultur, Denkmalschutz) sind rot markiert (erstellt mit Wordle)

Das Konzept “Fokus Saale” bildet nach dem Beschluss des Stadtrates am 23.06.2011 die verbindliche Grundlage für die weitere Entwicklung des Stadtviertels um den Altstädter Markt und den Saalplatz. Einerseits soll es, beim noch geplanten Abriss von 1300 Wohnungen in Bernburg bis zum Jahr 2020, den Umzug vom Stadtrand in das Stadtzentrum vorbereiten und andererseits, die Entwicklung des Bereichs Saalplatz und untere Wilhelmstraße zum Hauptgeschäftsbereich der Bernburger Innenstadt einleiten. Das Projekt umfasst ein Finanzvolumen in Höhe von ca 25 Mio. € (Förderprogramm “Soziale Stadt”: 1,2 Mio. €, Stadtsanierung: 1,8 Mio. €, Denkmalschutz: 1,6 Mio. €, Förderprogramm “Aktive Stadt- und Ortsteilzentren”: 7,8 Mio. €, sonstige Finanzierungen: 14,4 Mio. € (Beträge gerundet!))

Wo bleibt die Lebenskultur?

Das Projekt „Fokus Saale“ benutzt eine technokratische Sprache der „Machbarkeit“. Diese Sprache nimmt das Ergebnis bereits vorweg und vermittelt so eine positivistische Grundhaltung, ohne konkret zu sein.

Als Beispiel kann der Umgang mit dem wichtigen Begriff „Kultur“ herausgegriffen werden.

Aus dem Leitbild soziale Entwicklung (S. 36):

Entwicklung eines den individuellen und gemeinschaftlichen Bedürfnissen aller Altersgruppen und gesellschaftlichen Schichten entsprechenden Angebotes sozialer, kultureller und freizeitbezogener Infrastruktur.

Dieses Anliegen kann nur nun von jedem Leser des Konzeptes unterstützt werden! Sucht man gezielt danach, wie die kulturelle Infrastruktur konkret „entwickelt“ werden soll, trifft man im Anhang „Maßnahmen-, Kosten-, Finanzierungs- und Zeitplan“ unter dem Punkt “Stärkung der Hauptgeschäftsachse” auf die unverbindliche Zielangabe „Neue Einrichtungen für Freizeit und Stadtkultur“. Schon die gleichwertige Behandlung von „Freizeit und Stadtkultur“ zeigt, dass Stadtkultur von den Autoren der Studie im Bereich des Freizeitverhaltens angesiedelt wird. Der Begriff Kultur ist hier also nicht im Sinne von „alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt“ (Definition Wikipedia) zu verstehen. Einmal davon abgesehen, dass diesen Einrichtungen maximal ein “geringfügiger” Beitrag zur Erreichung der Ziele eingeräumt wird, fällt der technokratische Charakter des Kulturbegriffes auf, der darin deutlich wird, dass die Stadtkultur von den Autoren in „Einrichtungen“ institutionalisiert ist.

Stadtkultur bedeutet im Sinne von „Fokus Saale“ also, dass Menschen in ihrer Freizeit eine Kultureinrichtung aufsuchen. Dieser Kulturbegriff ist nicht mit dem Begriff „Lebenskultur“ identisch, der auch den Begriff des „Lebensstils“ umfasst, sondern erinnert eher an den offiziellen Kulturbegriff der ehemaligen DDR.

Lebensstilorientierte Angebote, wie beispielsweise die bereits in zahlreichen Kommunen umgesetzte Philosophie „Wohnen im Quartier“, haben im Projekt „Fokus Saale“ keinen Raum.

Der Wortbestandteil „gemein“, der Teil von so wichtigen Wörtern wie „Gemeinschaft“ ist, kommt im Projekt „Fokus Saale” nur drei Mal vor!

„Die absehbare Bevölkerungsentwicklung erfordert gemeinschaftliches Handeln“ (S. 34)

„Problem- und umsetzungsorientiertes gemeinsames Handeln von Stadtverwaltung und Gebäudeeigentümern“ (S. 35)

„Entwicklung eines den individuellen und gemeinschaftlichen Bedürfnissen aller Altersgruppen“ (S. 36)

Das gemeinschaftliche Miteinander als zentraler Inhalt der Stadtkultur findet in Fokus Saale in nicht statt!

Fehlende Kommunikation

“Fokus Saale” entstand aber nicht durch einen Diskussionsprozess, zu dessen Mitgestaltung die Bürger aufgerufen wurden, sondern als Vorlage der Verwaltung, die ohne Diskussion (siehe dazu MZ-Artikel vom 27.05.2011) vom Bauausschuss dem Stadtrat zur positiven Entscheidung empfohlen wurde.

Diese Vorgehensweise entspricht nicht der in “Fokus Saale” gemachten Darstellung eines “intensiven Beteiligungs- und Abstimmungsverfahrens“, zwischen den Bürgern der Stadt Bernburg und ihrer Verwaltung.

Immobilienmarkt soll Stadt entwickeln – Stadtkultur = Baukultur?

Architektur für den Stadtkern? Fassade an der Fährgasse
Stadtbaukultur? Fassade an der Fährgasse

Das Konzept “Fokus Saale” vertraut darauf, dass das Bernburger Stadtzentrum an Markt und Saalplatz durch “immobilienwirtschaftliches Engagement” revitalisiert werden kann. Der Schutz von Denkmalen wird der Wirtschaftlichkeit untergeordnet. Einkaufen wird zur Kultur. Die Stadtkultur wird auf den Begriff “Stadtbaukultur” reduziert.

Im Leitgedanken der Stadtentwicklung “Wohnen und Arbeiten, Feiern und Erholen an der Saale” nimmt der Begriff “Feiern” die Stelle der Kultur ein!

Zwar bezeichnet sich das Konzept als “integrierter Ansatz”, städtische Lebenskultur, außerhalb von “Wohnen und Arbeiten, Feiern und Erholen” wird aber nur äußert pauschal thematisiert. Bereiche wie Orte zur Kommunikation, zur Rezeption von Kunst und Kulturgütern (Ausstellungen, Musik usw.) und zum Praktizieren von bürgerlichem Engagement, die eine zentrale Rolle bei der Herausbildung einer Stadtkultur spielen und die ein Stadtzentrum von Einkaufstempeln auf der “grünen Wiese” unterscheidet, werden in “Fokus Saale” nicht in ausreichender Form berücksichtigt.

Unklare Aussagen und Widersprüche

Für ein Konzept, das die Entwicklung der Altstadt Bernburg verbindlich festlegen soll, erscheint “Fokus Saale” in vielen Fällen zu unklar und auch in sich widersprüchlich.

Unklar bleibt das Konzept, wenn es beispielsweise feststellt, dass Studenten heute in preiswerten, weil teilsanierten Wohnungen leben und dass das Projektgebiet zukünftig sowohl für Studenten, als auch für wohlhabende Bürger als Wohnort interessant werden kann. Wie soll dieser Interessenkonflikt gelöst werden? Wenn durch die Sanierung der Wohnungen bei gleichzeitiger Nachfrage durch wohlhabendere Interessenten die Mieten steigen, werden Studenten sich diese nicht mehr leisten können. Da aber Wirtschaftlichkeit als oberstes Kriterium angenommen wird, bedeutet dies zwangsläufig die Vertreibung der Studenten aus dem Wohngebiet nach der Sanierung. Dabei bleibt die Frage offen, für welche Bevölkerungsgruppe das Projektgebiet saniert werden soll.

Wie unter der Maßgabe der immobilienwirtschaftlichen Verwertbarkeit eine Ausrichtung auf alle Altersgruppen und eine besondere Berücksichtigung benachteiligter Bevölkerungsgruppen (dazu zähle ich auch junge Erwachsene!) zu bewerkstelligen ist, wird nicht ausgeführt. Eine reine Marktorientierung dürfte sich zunächst an dem für die Miete verfügbaren Einkommen der Einwohner orientieren. Da bei Senioren ein besonders günstiges Verhältnis zwischen erzieltem Einkommen und baulichem Aufwand sowie zu erzielender Förderung besteht, ist diese Bevölkerungsgruppe bereits im “Fokus Saale”-Gebiet überrepräsentiert. Es ist davon auszugehen, dass bei der großen Rolle, welche die Wirtschaftlichkeit im Konzept “Fokus Saale” spielt, der Zuzug von Senioren in das Fördergebiet anhalten wird.

Widersprüchlich verhält sich “Fokus Saale” auch im Umgang mit Denkmalen. Einerseits fordert es deren Erhalt von Denkmalen, andererseits ist auch der Abriss jedes Denkmals, ohne Rücksicht auf seinen kulturgeschichtlichen Wert oder die symbolische Bedeutung bei “Unwirtschaftlichkeit” möglich. Das Ermessen, ob der Erhalt eines Denkmals wirtschaftlich oder unwirtschaftlich ist, liegt allein beim Investor! Das Interesse der Bürger am Erhalt von Denkmalen oder die Meinung von Fachleuten wird nicht berücksichtigt.

Hier zeigt sich eine deutliche Diskrepanz: Während der Bürger, wenn er ein historisches Wohnhaus besitzt, die Belange des Denkmalschutzes sehr wohl beachten muss, auch wenn dadurch Mehrkosten entstehen sollten (Fenster, Fassadengestaltung), sind diese Mehrkosten für den potentiellen Immobilieninvestor im Gebiet “Fokus Saale” die Begründung, dass er sein Denkmal abreissen darf.

Fehlende Differenzierungen, Pauschalisierungen

Architektonischen Strukturen, die für die Bernburger Altstadt typisch waren, wie die organisch gewachsene Architektur der Nebengelasse und Hinterhäuser, werden pauschal als “Überformungen” betrachtet, die es zu beseitigen gilt.

Im Fall des wertvollen Ensembles der “Freiheit” käme die durch das Konzept “Fokus Saale” legitimierte Möglichkeit zum Abriss der Hinterhäuser einer totalen Zerstörung gleich.

Abrisse in der Freiheit

Die Freiheit wird im Konzept “Fokus Saale” als “südlicher Saalplatz” bezeichnet. Größere Abrisse werden hier bereits angekündigt.

Lange Straße 1

Lange Straße 1
Das Gebäude Lange Straße 1

Besonders beim Gebäude “Lange Straße 1” tendiert das Konzept, bei konsequenter Anwendung seiner Logik, zum Abriss.

  • Das Gebäude wird als “ruinös” gekennzeichnet, auch wenn es nur, wie andere Gebäude am Saalplatz, leer steht. (Eine Ruine bezeichnet ein zerfallenes Bauwerk beziehungsweise dessen Überreste).
  • Dramatisierende Begriffe suggerieren Handlungsdruck: Von dem Gebäude würde eine Bedrohung der “Geschlossenheit der Raumkanten” ausgehen
  • Diese Raumkante sollte Erhalten oder wiederhergestellt werden
  • Da es unwirtschaftlich erscheint, eine “Ruine” zu sanieren, kommt bei Anwendung des Konzeptes am ehesten ein Ersatzneubau (wie beim Saalespeicher) infrage

Das Konzept “Fokus Saale” stellt einen Freifahrtschein zum Abriss jeglicher Bausubstanz im Bereich der “Freiheit” dar. Beispielhafte “Abwägungsprozesse”, wie vom Förderprogramm “Aktive Stadt- und Ortsteilzentren” gefordert, werden im Konzept “Fokus Saale” nicht umgesetzt, sondern offen gelassen. Es findet keine für den Bürger nachvollziehbare Entscheidung für oder gegen den Erhalt von bedeutenden Baudenkmälern statt. Damit ist auch keine Bürgerbeteiligung bei dieser wichtigen Frage möglich.

Fehlende Problematisierungen

Auch wenn das Konzept “Fokus Saale” Studenten als wichtige potenzielle Mieter charakterisiert, geht es nicht auf eines ihrer größten Probleme ein – der mangelhaften ÖPNV-Anbindung von Strenzfeld an das Stadtgebiet. Eine bedürfnisorientierte Analyse dieses Problems hat hier, entgegen den Beteuerungen, scheinbar nicht stattgefunden.

Quellensammlung “Fokus Saale”

Die Ursachen werden geschildert:

Spätestens mit dem Umbau der Lindenstraße zur Fußgängerzone in den 1980er Jahren verloren der Markt und der Saalplatz ihre Vorrangstellung als Geschäftsbereich. Zudem waren die Uferquartiere mit dem ökologischen Zusammenbruch der Saale in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts dem Verfall ausgeliefert. (S. 4)

Nun erfolgt das Eingeständnis des Scheiterns bisheriger Sanierungsmaßnahmen. Interessant ist, dass die bisherigen Flächenabrisse als “Aufwertungsmaßnahmen” gekennzeichnet werden:

Trotz aller Aufwertungsmaßnahmen ist der Gebäudeleerstand im Gebiet „Fokus Saale” fast dreimal so groß wie im gesamtstädtischen Durchschnitt. Immer noch wirken die schwerwiegenden baulichen Mängel und der Funktionsverlust der Geschäftsbauten so hemmend, dass der Verfall selbst nach 15 Jahren Stadtsanierung nicht gestoppt werden konnte. (S. 4)

Schon zu Beginn des Konzeptes wird das Hauptmittel, welches nun die Probleme lösen soll genannt:

…durch die Konzentration des immobilienwirtschaftlichen Engagements auf diesen Stadtteil sieht die Stadt nunmehr realistische Chancen für die Revitalisierung des Gebietes… (S. 4)

Nach Jahren der Verlagerung in den Stadtrand, durch die Errichtung von Einkaufszentren und Eigenheimsiedlungen auf der “grünen Wiese”, sowie dem Abriss großer Teile der Altstadt, scheint man in der Stadtverwaltung nun umzudenken. Offen bleibt, ob mit dem Begriff “die Stadt Bernburg (Saale)” die Stadtverwaltung oder die Stadt Bernburg als Gesamtheit ihrer Bürger verstanden werden soll:

Die Stadt Bernburg (Saale) will, dass leer stehende Wohnungen im Stadtzentrum revitalisiert werden, damit ein Bevölkerungszuzug von den Stadträndern in die Mitte stattfindet. Dafür sollen die Funktionsvielfalt und Versorgungssicherheit des historischen Hauptgeschäftsbereichs gestärkt und das Wohnumfeld gestaltet werden. Nur dadurch werden sich neue Einwohner eingeladen fühlen, dauerhaft im Gebiet „Fokus Saale” wohnen zu bleiben. (S. 5)

Feiern spielt  in der “Philosophie”  der Stadtplanung eine wichtige Rolle. Von Kultur hingegen ist keine Rede:

Der Leitgedanke des SEK 2009 zur Entwicklung des Gebietes „Fokus Saale” beschreibt die grundlegende Philosophie: „Wohnen und Arbeiten, Feiern und Erholen an der Saale” (S. 5)

Nachdenklich stimmt auch folgende Definition:

Schwerpunkt sind die funktionalen Verknüpfung zwischen den Freiräumen des Hauptgeschäftsbereich (Einkaufserlebnis = Kulturraum) und den Freiräumen entlang der Saaleufer (Erholung = Naturraum). (S. 5)

Es existiert zwar eine Studie zu den Auswirkungen eines Abrisses des wertvollen Hauses Lange Straße 1, aber wir erfahren das Ergebnis nicht:

Das Hallenser Architekturbüro Cuboidoo Jüttner Schwesinger Architekten hat mit einer vertiefenden Studie zur Reaktivierung des südlichen Saalplatzquartiers Varianten zum Umgang mit sogenannten Homschen Haus in der Langen Straße 1 erarbeitet.

Die Studie zeigt, welche städtebaulichen und funktionalen Auswirkungen der Abbruch dieses Gebäudes auf die städtebaulich-räumliche Situation und die Stadtsilhouette hat und welche städtebaulich sinnvolle Alternativen zur Quartiersentwicklung bestehen. (S. 5)

Wie viele Bernburger kennen das Konzept “Fokus Saale”? Welche “Beteiligungs- und Abstimmungsverfahren” wurden dazu mit den Bürgern der Stadt durchgeführt? Interessant ist die folgende Aussage:

Die notwendigen intensiven Beteiligungs- und Abstimmungsverfahren mussten für die Erarbeitung des integrierten Handlungskonzeptes nicht erst erprobt werden.

Die Stadt Bernburg (Saale) setzt die erfolgreichen Kommunikationsstrukturen zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung fort, die seit Jahren bei der Durchführung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme praktiziert werden. (S. 6)

Das Konzept Fokus Saale ist nach seinem Beschluss durch den Stadtrat bindend!

Politisch beschlossen bildet das integrierte Handlungskonzept die verbindliche Grundlage für den Ressourceneinsatz aller zuständigen Fachressorts und Ämter. (S. 6)

Zwischen 2010 und 2020 sollen noch 1300 Wohnungen in Bernburg rückgebaut werden:

Im Stadtentwicklungskonzept 2009 werden die Fortsetzung des Bevölkerungsrückganges auf bis zu 27.000 Einwohnern im Jahr 2020 und einen Rückbaubedarf von 1.300 Wohnungen für den Zeitraum von 2010 bis 2020 prognostiziert. (S. 7)

Die Zahl ist um so beeindruckender, wenn mann sich vergegenwärtigt, dass zwischen 2001 und 2009 erst 360 Wohnungen abgerissen wurden:

Im Ergebnis des Stadtumbaus Ost ist die gesamtstädtische Wohnungszahl von 2001 bis 2009 um 360 Wohnungen (2 %) reduziert worden. (S. 17)

Ein Ziel des Konzeptes “Fokus Saale” ist es, den Saalplatz und die Wilhelmstraße als Hauptgeschäftsbereich zu entwickeln:

Entwicklung des Saalplatzes und der Wilhelmstraße als Hauptgeschäftsbereich der Bernburger Innenstadt (S.8)

Der Abriss kulturgeschichtlich wertvoller Gebäude am Saalplatz wird trotz des Denkmalschutzes verbal vorbereitet, Alternativen gibt es scheinbar nicht:

Am Saalplatz kann ein Substanzverlust kulturgeschichtlich wertvoller Gebäuden nicht mehr verhindert werden. (S. 9)

Der für die Freiheit wichtige Architektur der Hinterhöfe wird kein Entwicklungspotenzial eingeräumt. Als Defizite des Gebietes werden genannt:

Überkommene, enge Baustrukturen auf Hinterhöfen ohne Entwicklungspotenziale (S. 9)

Interessant ist die Feststellung, dass Studenten derzeit in preiswerten, teilsanierten Wohnungen leben:

Die sozial schwächere Einwohnergruppe lebt in teilsanierten, preiswerteren Wohnungsbeständen entlang der Krumbholzstraße, aber auch am Markt. Dieser preiswerte Wohnraum wird auch durch Studierende der Hochschule Anhalt (FH) genutzt. (S. 23)

Durch die im Gebiet errichteten Seniorenheime liegt der Altersdurchschnitt über dem Mittel:

Der Altersdurchschnitt im Gebiet liegt über dem gesamtstädtischen Durchschnitt. Das resultiert aus der hohen Zahl hoch betagter Einwohnerinnen und Einwohner infolge der Konzentration von Objekten für seniorengerechtes Wohnen und Altenpflege. (S. 23)

Die Attraktivität des Wohngebietes für Studenten wird festgestellt:

Wohngebiet ist für Studierende der Hochschule Anhalt (FH) attraktiv (S. 23)

Aber auch von wohlhabenden Bevölkerungsgruppen könnte ein Interesse bestehen:

Das Gebiet ist für sozial stärkere Einwohner attraktiv (Wohnen an der Saale) (S. 23)

Stadtkultur wird auf “Stadtbaukultur” reduziert:

Nur durch eine hohe Stadtbaukultur können Städte auch im Zeichen des demografischen Wandels ihre besonderen Qualitäten erhalten, die sie als Stadt ausmachen. (S. 32)

Das bauliche Umfeld soll sich am Menschen orientieren:

Nur dort, wo sich das bauliche Umfeld am Menschen und seinen Bedürfnissen orientiert, kann städtische Authentizität entstehen. (S. 32)

Jede Bauaufgabe erfordert einen “sorgfältigen Abwägungsprozess”

zwischen der Aufgabe, die historischen Baustrukturen als Zeugnisse einer einzigartigen Stadtkultur zu erhalten, und der Notwendigkeit, dem Funktionswandel mit architektonisch neuen Formen zu entsprechen (S. 32)

Das Fördergebiet sollte beispielhaft für diesen Abwägungsprozess sein:

Im Rahmen des Programms Aktive Stadt- und Ortsteilzentren sollen bevorzugt Projekte entwickelt werden, in denen der Abwägungsprozess beispielhaft gelingt. (S. 32)

Bei fehlender Wirtschaftlichkeit ist der Abriss notwendig:

Erhalt der städtebaulich-architektonischen Besonderheit, vorzugsweise durch Modernisierung der Bausubstanz oder – falls eine Modernisierung nicht mehr wirtschaftlich ist – durch Ersatzbebauung, die die städtische Eigenart der Baustrukturen in zeitgemäßer Formensprache neu interpretiert (S. 32)

Hinterhäuser werden als Überformungen bezeichnet:

Die Beseitigung von baulichen Überformungen, wie z. B. Hinterhäuser und Hofgebäude verbessert nicht nur das Wohnumfeld. Sie trägt auch dazu bei, nicht mehr benötigten Wohn- und Gewerberaum im Sinne des Stadtumbaus zurückzubauen. (S. 33)

Für welche Bevölkerungsgruppen wird das Gebiet entwickelt?

In leer stehenden Gebäuden werden innovative Wohnformen für die Bevölkerungsgruppen entwickelt, für die das Wohnen in der Stadtmitte die mit den meisten Vorteilen verbundene Lebensform bedeutet. Das freiwilliges Hingehen, freiwilliges Bleiben und freiwilliges Wohnen werden durch öffentliche Förderung stabilisiert und gestärkt.

[…]

Gleichzeitig heißt das, die Vorzüge des Wohnens in zentraler Lage öffentlich darzustellen und hier für alle Bevölkerungsgruppen bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen zu schaffen.

[…]

Die absehbare Bevölkerungsentwicklung erfordert gemeinschaftliches Handeln, um den Ansprüchen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen gerecht zu werden. (S. 34)

Dabei soll Studierenden das besondere Augenmerk geschenkt werden:

Sicherung der wohnungsbezogenen Infrastruktur, insbesondere mit der Zielsetzung einer gemischten Bewohnerschaft mit besonderem Augenmerk auf Familien, Senioren und Studierende (S. 34)

Das Gebiet soll Angebote für alle Altersgruppen bieten:

Entwicklung eines den individuellen und gemeinschaftlichen Bedürfnissen aller Altersgruppen und gesellschaftlichen Schichten entsprechenden Angebotes sozialer, kultureller und freizeitbezogener Infrastruktur (S. 36)

Benachteiligte Gruppen sollen besonders gefördert werden:

Besondere Unterstützung benachteiligter Gruppen als Beitrag zur Förderung von Chancengleichheit und Toleranz (S. 36)

Die Defizite der ÖPNV-Anbindung werden nicht genannt, es heißt nur:

Erhalt der ÖPNV-Anbindung (S. 36)

Die Bürgerschaft soll beteiligt werden:

Aktivierung, Einbindung und Beteiligung der Bürgerschaft (S. 37)

Für den Bereich “Südlicher Saalplatz” ist scheinbar der Abriss schon beschlossen:

Schwerste Bauschäden, unwirtschaftlicher Modernisierungsaufwand (S. 44)

Von dem Gebäude Lange Straße 1 geht eine Bedrohung (!) aus:

Ruinöse Gebäude bedrohen die Geschlossenheit der Raumkanten (Lange Straße 1) (S. 45)

Als Baudenkmal wird die Lange Straße 1 schon nicht mehr erwähnt:

Baudenkmale: Lange Straße 3 und 5 (S. 45)

Bedeutende Gebäude sollen erhalten werden:

Erhalt der Wohn- und Geschäftshäuser mit stadtgeschichtlicher Bedeutung (S. 45)

Die Sanierung der Lange Straße 1 wird angekündigt:

Erhalt bzw. Wiederherstellung der Geschlossenheit der Raumkante im Bereich des Grundstücks Lange Straße 1 (S. 45)