MZ-Artikel vom 09.06.2011 – Was sind Bernburg die Studenten wert?

Was sind Bernburg die Studenten wert?

DISKUSSION Forum der Bündnisgrünen über die Hochschulstadt und ihr Verhältnis zu den Studierenden. Kritik an schlechten Busverbindungen – der letzte Bus fährt noch vor dem Vorlesungsende.

VON SUSANNE WEIHMANN

Olaf Böhlk wünscht sich eine Sanierung der alten Bernburger Bergstadt, des letzten mittelalterlichen Straßenraums. FOTO: ENGELBERT PÜLICHER
In der Bernburger Freiheit könnte sich studentisches Leben ansiedeln - so Olaf Böhlks Ideen zur Stadtentwicklung. FOTO: ENGELBERT PÜLICHER

BERNBURG/MZ – Ist Bernburg nun eine Hochschulstadt oder ein Hochschulstandort? Für Erich Buhmann und Wolfgang Pilz ist das kein Synonym, das wahlweise verwendet werden kann. Für die beiden Grünen-Politiker ist das ein großer Unterschied. “Andere Städte werben viel offensiver mit ihrer Hochschule”, sagte Buhmann am Montag beim Forum der Grünen, zu der neben Studenten und Stadträten weitere Gäste eingeladen waren, und gab damit die Worte seines Parteifreundes Pilz wieder, der nicht dabei sein konnte. Es ging einmal mehr um die Frage, wie die Studenten aus Strenzfeld in die Innenstadt gelockt werden könnten. Buhmann, selbst Hochschulprofessor, meint, die Stadt müsste die jungen Leute viel mehr willkommen heißen.

“Andere Städte werben viel offensiver mit ihrer Hochschule.” Erich Buhmann, Hochschulprofessor

Eine Chance würde dabei laut Erich Buhmann gleich am ersten Wochenende zu Semesterbeginn bestehen – mit einem großen Fest auf dem Markt. Oder an einem anderen Ort, beispielsweise in einem leer stehenden Fabrikgebäude, wie es in anderen Hochschulstädten derzeit “in” ist. Doch Ulrike Müller, Vertreterin der Fachschaft, ist da skeptisch, zum einen aus versicherungstechnischen Gründen (“Wer will die Verantwortung übernehmen, wenn jemand besoffen in die Saale fällt?”). Zum anderen weiß sie aus Erfahrung, dass viele Studenten ohnehin am Wochenende nach Hause fahren, und auch die Studienanfänger gleich am ersten Wochenende im Semester. Zudem, so argumentierte sie, gebe es bereits den Imma-Ball, der traditionell im Bernabeum stattfindet und auch gut angenommen wird. Sie könnte sich höchstens vorstellen, dass die Stadt viel stärker bei der feierlichen Immatrikulation vertreten ist, etwa mit Informationsständen.

Müller erzählte, dass es derzeit zur Begrüßung der “Neuen” einen Sportsack mit Werbemitteln, etwa einem Kino-Gutschein, Stiften und Blöcken gibt. “Das meiste müssen wir aber als Fachschaft schon selber kaufen, denn die Spendierfreudigkeit der Geschäfte nimmt zunehmend ab”, sagte sie. Zudem gibt die Fachschaft zusammen mit der Stadt einen Kalender heraus, in dem es Gutscheine für einen einmaligen Eintritt in das Schwimmbad und Museum gibt. Das sei aber ihrer Meinung nach zu wenig. Vor allem vermisst sie Vergünstigungen in den Freizeiteinrichtungen für Studenten. “Nirgends gibt es Studentenermäßigung”, bedauert sie. Das sei in anderen Städten anders.

Erneut kam auch das Thema der Busverbindungen nach Strenzfeld zur Sprache: Während Erich Buhmann vor allem für ein Semesterticket, das Sachsen-Anhalt sowie Leipzig umfasst, plädiert, hält Müller eine bessere Koordination als ersten Schritt schon einmal hilfreich. “Der letzte Bus fährt um 18.45 Uhr, die Vorlesung endet aber erst um 19 Uhr”, schilderte sie die aktuelle Situation. “Es wäre also schon schön, der Bus würde um 19.15 Uhr fahren.” Auch könne man nicht von allen Studenten erwarten, dass sie mit dem Fahrrad fahren – zumal das im Winter nicht ungefährlich ist. Würde auch zu späterer Stunde ein Bus zwischen Strenzfeld und Innenstadt verkehren, könnte auch das Hochschul-Kino in das “Capitol”-Kino verlegt werden. Die Besitzerin habe schon ihre Zustimmung signalisiert, erzählten die Studenten. So aber findet es vorerst weiter auf dem Campus statt.

Die schlechte Verkehrsanbindung war für Naturschutz-Student Christian Koppitz nach eigenen Aussagen ein Grund, weswegen er sich gegen eine Wohnung in der Stadt entschieden hat. Auch Olaf Böhlk, Ur-Bernburger und Mitarbeiter der Bernburger Kulturstiftung, weiß um die verkehrstechnisch “saumäßige Situation”. Böhlk sieht aber prinzipiell “eine Chance, die Studenten mehr in die Stadt zu locken”. Er wünscht sich vor allem ein Umdenken: Dass die Studenten vielmehr ins Bewusstsein der Bernburger rücken. “Was sind euch die Studenten wert?”, fragt er und hat auch gleich eine Antwort parat: “Wenn die Bernburger alle Studenten mit einem Lächeln begrüßen, haben wir schon viel erreicht.” Immerhin seien die jungen Leute nicht nur die Zukunft. Sie würden auch für eine alternative Kultur sorgen.

Seiner Meinung nach müsse es vor allem attraktiven, bezahlbaren Wohnraum für die Studenten geben. Man müsste die Studenten nach dem “Wächterhaus-Konzept” verpflichten, selber Hand anzulegen und die Häuser zunächst einmal zu sichern. Ein ähnliches Projekt gebe es bereits in Merseburg, dort sei ein neues Szene- und Studentenviertel entstanden. Geeignet hält er dafür das Häuser-Ensemble der “Freiheit” – zwischen Langer Straße und Saalplatz (die MZ berichtete) – ein Stück echter Bernburger Stadtgeschichte. Es sei ein “interessantes Wohnviertel”, das ein bisschen an Montmarte in Paris erinnere. “Hier wurde früher viel gemalt”, sagt Böhlk. Auch der Innenhof sei reizvoll. Er wünscht sich für die Studenten, aber auch für alle anderen Bernburger, einen Platz, “wo nicht nur gewohnt wird, sondern der eine alternative Kultur hat”.

Erich Buhmann fasste es abschließend so zusammen: Um für Studenten attraktiv zu sein, brauche es ein ansprechendes Willkommenspaket, Wohnraum nach dem Wächterhaus-Konzept, das Mitwirken des Öffentlichen Personennahverkehrs und ein besseres Freizeitangebot.